Von Maschine zu Maschine

Was das Internet der Dinge mit Versicherung zu tun hat und warum Industrie und private Haushalte immer weiter davon durchdrungen werden
Azubis, Sachbearbeiter// 29. April 2020

Soviel sei vorweggenommen: Das eine Internet der Dinge (→ Glossar) gibt es nicht. Aber es gibt eine Vielzahl an Netzwerken, in denen Objekte autonom miteinander kommunizieren und interagieren. Vorausgesetzt es sind smarte Objekte, also solche, die über eine eigene Internetadresse identifizierbar sind und sich darüber austauschen – von Objekt zu Objekt, von Maschine zu Maschine.

Der Begriff Internet of Things, kurz: IoT, ist heute in aller Munde aber gar nicht mal so neu. Kevin Ashton, ein Forscher und Entwickler am Massachusetts Institute of Technology, hat 1999 den Begriff in die Welt gesetzt.
Ashton arbeitete damals an einem System zur automatischen Identifikation mittels RFID-Chips (RFID steht für Radio Frequency Identification), die in der Zwischenzeit u.a. in der Logistikbranche Karriere gemacht haben. Kein Wunder: Ganze drei Informationseinheiten genügen, um einen Warenfluss vollautomatisch zu steuern.

Kontaktloser Datenaustausch

Wer bin ich? Woher komme ich? Und wohin muss ich? – Das sind die Informationen, die via Funk (daher Radio Frequency) aus den papierflachen RFID-Chips des Transportguts kontaktlos ausgelesen werden. Die auslesenden Instanzen können damit weitere Aktionen veranlassen: Zum Beispiel eine entsprechende Weiche im Logistikzentrum stellen, eine Bürotür öffnen, eine Ausleihe in der Bücherei verbuchen und vieles mehr.

Was so einfach klingt, hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt, nicht zuletzt aufgrund immer höherer Sicherheitsanforderungen und entsprechend ausgefeilten Verschlüsselungstechnologien. Das Grundprinzip ist aber gleich geblieben: Das gechippte Objekt passiert ein Lesegerät (oder umgekehrt). In der Folge wird eine zur ausgelesenen Information passende Aktion ausgeführt.

Ashton verfolgte seinerzeit die Idee, die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt aufzulösen. Im Internet of Things sollte jeder Gegenstand in der Lage sein, Informationen über seinen Zustand via Internet zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt sollten Computer in der Lage sein, sich selbstständig Informationen zu beschaffen, unabhängig vom Menschen. Diesem bliebe dabei die Aufgabe, das System zu überwachen.

Intelligente Sensoren

Wer heutzutage vom Internet der Dinge spricht, meint damit weniger die ursprüngliche RFID-Technologie, die inzwischen zwar in der industriellen Produktion und in der Logistik weit verbreitet ist und den herkömmlichen Barcode abgelöst hat.

Vielmehr bezeichnet der Begriff heute smarte Objekte und intelligente Sensoren, deren festverbaute Prozessoren über eine eigene Internetadresse verfügen und deutlich mehr Informationen erfassen und weitergeben, als dies mit RFID-Technologie möglich ist.
Via Internet sind diese smarten Objekte im ständigen Austausch miteinander, melden ihren aktuellen Zustand, passen sich Situationen an und reagieren auf zuvor definierte Szenarien.

Ein durchschnittlicher Pkw, der heutzutage vom Band rollt, hat mehr Prozessoren und Sensoren verbaut, als Kevin Ashton sich 1999 hätte vorstellen können. Sie ermitteln und überwachen eine Fülle an Fahrzeugdaten, die unter anderem relevant wären für Telematik-Tarife in der Kraftfahrzeugversicherung.

Daten für Versicherer

Da längst ein Streit darüber entbrannt ist, wem die Fahrzeugdaten gehören und wer sie zu welchem Zweck auslesen darf, behelfen sich Kfz-Versicherer mit zusätzlichen Sensoren (oder auch Apps für’s Smartphone), die das Fahrverhalten aufzeichnen.
In einem Telematik-Tarif beeinflusst die Auswertung der so ermittelten Daten die Höhe des Beitrags (siehe Beitrag → Sicherer fahren, weniger zahlen).

In Industrieanlagen überwachen intelligente Sensoren Maschinen und wichtige Komponenten unter anderem in Bezug auf ihren Zustand. Im Idealfall melden die Sensoren einen Reparaturbedarf rechtzeitig bevor die Maschine oder die Komponente ausfällt. Produktionsabläufe lassen sich dadurch besser planen, sind sicherer sowie kosten- und zeiteffizienter.

In der SmartFactory im Münchner Werksviertel suchen Munich Re, das zu Porsche gehörende Beratungsunternehmen MHP und KUKA, Hersteller von Industrierobotern, gemeinsam mit anderen Fahrzeugherstellern nach Möglichkeiten der smarten Vernetzung im Produktionsalltag und wie Risiken dabei minimiert werden können.

Weltweit sind weit über eine Million Industrieroboter im Einsatz. In der Automobilindustrie übernehmen diese 80 Prozent der Tätigkeiten. Die weltweite Lieferkette soll nach einer Global Risk Analyse der Allianz Global Corporate and Specialities in diesem Jahrzehnt bis zu 50 Milliarden Maschinen miteinander verbinden. Ein Ausfall oder falsch eingestellter Sensor kann einen empfindlichen Schaden verursachen. Industrieversicherer haben sich darauf eingestellt und entsprechende Betriebsunterbrechungsversicherungen entwickelt.

Leistungen für KundInnen

Auch unser Zuhause wird von intelligenten Sensoren überwacht und gesteuert. Im Smart Home regeln die intelligenten Sensoren u.a. das Raumklima, die Beleuchtung – und wenn wir im Urlaub sind, simuliert das System sogar unsere Anwesenheit. Registriert der Rauchmelder einen Brand, wird automatisch die Feuerwehr gerufen (oder, falls vorhanden, die Sprinkleranlage eingeschaltet). Das hat zwar Kosten zur Folge, die aber mit entsprechenden Schutzbriefleistungen versicherbar sind.

ERGO SafeHome ist so eine Police, die intelligente Sensoren, professionelle Notfallhilfe und Hausratversicherungsschutz miteinander kombiniert. Die Sensoren dafür liefert die Kooperationspartnerin Telekom aus ihrem Magenta SmartHome Angebot.

Und was, wenn sich das System irrt, die Feuerwehr aufgrund einer Fehlfunktion gerufen wird? „Dann würden wir die Kosten für Aufwendungen, die durch einen Falschalarm entstanden sind, bis zu 3.000 Euro übernehmen“, so ein Sprecher der ERGO Group.

Mehr Sensoren. Mehr Daten. Mehr Versicherung.

Ob in der Industrie oder im privaten Umfeld: Das Internet der Dinge liefert riesige Mengen an Echtzeitdaten, einen gigantischen Datenpool. Zur wirkungsvollen Analyse bedarf es längst weiterer Maschinen, Algorithmen, künstlicher Intelligenz. Deren Analysen liefern Ansätze für immer ausgefeiltere Produkte. Telematik-Tarife oder das SafeHome sind dabei vermutlich erst der Anfang (siehe dazu auch die Beiträge → Reden über KI und → Internet in Zahlen).

Etwas weiter verbreitet, im Grundprinzip ähnlich, sind parametrische Versicherungen (→ Glossar) für die Landwirtschaft, die auf Messdaten von Wetterstationen und deren Sensoren basieren und weitgehend automatisch arbeiten: Dazu wird für eine festgelegte Region und einen definierten Zeitraum eine Mindestniederschlagsmenge angenommen, die für einen durchschnittlichen Ernteertrag erforderlich wäre. Automatisiert man das Zusammenspiel und die Analyse dieser Daten, hat man eine automatische Versicherung: Wenn’s nicht genügend regnet, wird die vereinbarte Versicherungsleistung fällig.

Einzig im Gesundheitssektor gibt es noch keine durchschlagende Idee, wie Versicherer die Daten von Fitness-Trackern und anderen Wearables (→ Glossar), Sensoren, die millionenfach genutzt werden, mit entsprechenden Angeboten kombinieren können.
Vielmehr konzentrieren sie sich darauf, dieses Nutzungsverhalten als zusätzliche Kontaktmöglichkeit zu sehen, jenseits des originären Geschäfts (siehe Beitrag → Touchpoint Fitness). Denn Experten verorten das nächste große Ding zwar im Gesundheitssektor, da gilt es, rechtzeitig einen Fuß in der Tür zu haben. Doch vor dem Umgang mit persönlichen Daten steht immer ein sehr restriktiver Datenschutz.

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