Unternehmenskultur in digitalen Zeiten

Digitalisierung und Unternehmenskultur. Zwei Begriffe, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so viel miteinander zu tun haben.
Führungskräfte, Vertriebler// 25. Oktober 2018

Und doch lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Denn sie sind enger miteinander verzahnt, als man zunächst vermutet.

Der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft erfordert nicht nur Innovationen in der Arbeitswelt, sondern vor allem auch eine neue, digitale Unternehmenskultur.
Im Interview erklärt Sabine Gilliar, Gilliar Consulting, was → digitale Transformation und Unternehmenskultur verbindet und welche neuen Anforderungen sie insbesondere für Führungskräfte mit sich bringt.

 

Frau Gilliar, Sie haben in Ihrer Kurzumfrage zur „Unternehmenskultur in digitalen Zeiten“ untersucht, wie die Menschen die Digitalisierung in ihren Organisationen erleben. Wie lauten die Kernaussagen, die sich aus der Umfrage ergeben haben?

Gilliar: Nun, zum einen zeigt sich, dass viele Befragte tatsächlich nur eine grobe Vorstellung davon haben, was der Begriff „Digitalisierung“ konkret bedeutet.
Das liegt daran, dass momentan viele Menschen die Digitalisierung lediglich als eine „Umstellung der Prozesse von analog auf digital“ erleben.
Lagen früher 40 Akten zur Bearbeitung auf dem Tisch eines Versicherungsmitarbeiters, sind es heute 300. Es ist ein Leichtes geworden, die digitalen Postkörbe zu füllen.
Für den Mitarbeiter bedeutet dies einen enormen Druck: Da der Arbeitsanfall physisch nicht mehr sichtbar ist, wird immer mehr Arbeit an ihn delegiert. Doch diesen Arbeitsberg abzuarbeiten ist unmöglich. Die Arbeitsbelastung hat vielerorts durch die neuen Technologien zugenommen, sie kann zu mehr Stress und Frustration führen und dann auch gesundheitliche Risiken fördern.

Die Digitalisierung ist ein Werkzeug für neue Lösungen und Geschäftsmodelle und basiert auf neuen Technologien. Die zentrale Frage ist, wie man diese Werkzeuge und die Mitarbeiter miteinander verbinden kann, sodass der digitale Wandel erfolgreich für das Unternehmen verläuft und gleichzeitig die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleibt.

 

Das klingt danach, dass es noch viel zu tun gibt in den Unternehmen – insbesondere in den Reihen der Führungskräfte.

Gilliar: Auf jeden Fall. Ich bin überzeugt davon, dass die bisherige Führung, die stark auf Hierarchie, Zielvorgaben und Kontrolle basierte, ausgedient hat.
Um den digitalen Wandel zu meistern reicht es nicht aus, Prozesse und Produkte zu optimieren oder neue Technologien in Unternehmen einzusetzen. Versicherung muss neu gedacht werden. Die Digitalisierung verändert nicht nur Geschäftsprozesse, sondern ganze Geschäftsmodelle.
Beispielsweise ist Airbnb weltweit führend bei den Übernachtungsangeboten, besitzt als Vermittler aber selbst keine einzige Immobilie. Ein neues Geschäftsmodell, das zu einer starken Konkurrenz für die etablierte Hotelbranche geworden ist.

Um Geschäftsmodelle derart neu zu denken, braucht es die Intelligenz aller im Unternehmen.
Dies greift tief in die Kultur von Unternehmen ein: Die Art der Zusammenarbeit wird sich verändern. Wir arbeiten künftig mehr in Netzwerken. Kommunikation findet unabhängig von Hierarchiestufen auf Augenhöhe statt und alle ziehen an einem Strang. Wir entwickeln Produkte mit agilen Methoden in immer kürzeren Zyklen. Die Fähigkeit zur Veränderung muss unbedingter Teil der Unternehmenskultur werden.

 

Wie sollte die Kultur in Unternehmen denn idealerweise aussehen, um in Zukunft in der digitalen Welt weiterhin erfolgreich zu bleiben?

Gilliar: Die Unternehmenskultur hängt natürlich stark vom Unternehmen selbst ab. Die eine, richtige Führungskultur für alle Unternehmen gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss seine eigene Kultur entwickeln.
Was aber sicher für alle Unternehmen gilt, ist, dass es meiner Meinung nach einem neuen Verständnis von Führung bedarf.
Mitarbeiter wollen mitgestalten. Sie wollen anders arbeiten als bisher: In einer anderen Arbeits- und Führungskultur. Sie wollen selbstständiger und flexibler arbeiten und mehr Verantwortung übernehmen. Und das bedeutet für Führungskräfte, dass sie neben fachlichen und methodischen Kompetenzen insbesondere auch soziale Kompetenzen mitbringen und eine „Zutrauenskultur“ in den Unternehmen etablieren müssen.

 

Wie kann Ihrer Ansicht nach der Kulturwandel in Unternehmen gelingen und wie gestaltet sich dann die neue Rolle von Führungskräften?

Gilliar: Ich denke, dass es für Führungskräfte immer wichtiger wird, ein Gespür für ihre neue Rolle in der digitalen Transformation zu entwickeln:
Sie sollten für Mitarbeiter Rahmenbedingungen schaffen, in denen diese motiviert arbeiten können. Dazu gehört es, dem Mitarbeiter und dem Team Raum zu geben, um dem Wunsch nach Mitgestaltung nicht nur bei der Digitalisierung zu entsprechen.
Führungskräfte werden in Zukunft mehr entwicklungsbegleitender Coach statt anweisender Hierarch. Dazu müssen sie empathisch sein, offen kommunizieren und jedes Teammitglied entsprechend seiner Fähigkeiten fördern. Sie müssen die Rahmenbedingungen und ein gutes Arbeitsumfeld schaffen: Stimmt die Unternehmenskultur, fühlen sich alle Beteiligten wohl.
Das schafft Synergien, Ideen und Innovationen und den Erfolg, mit dem Unternehmen die digitale Transformation zu meistern.

 

Ihr Fazit?

Gilliar: Die Kultur in Unternehmen muss sich wandeln. Weg von Führung über Macht und Kontrolle, hin zu einer offenen, vertrauensvollen und agilen Führungskultur.
Eine Kultur, in dem der Mitarbeitern Freiräume hat und auch mal Fehler machen darf. In der Mut und Selbstvertrauen gefördert werden.

Kulturwandel beginnt auf der Führungsebene. Führungskräfte müssen die neue Unternehmenskultur ermöglichen und vorleben. Nur dann werden sie zum Beschleuniger der digitalen Transformation.

 

Zur Person: Sabine Gilliar hat sich als Personalexpertin u.a. darauf spezialisiert, Unternehmen als Beraterin, Trainerin und Systemischer Coach in der Fach- und Führungskräfteentwicklung sowie in der Unternehmenskulturanalyse durch Mitarbeiter-Befragungen oder Kulturdiagnosen mittels qualitativer Interviews zu unterstützen.

Weitere Informationen, auch zur Kurzumfrage, findest du hier

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