Digitalisierung macht auch vor dem Lernen nicht halt. Was wir lernen und wie wir lernen, ändert sich rasant: Heute sitzen wir in virtuellen Klassenzimmern, erkunden und erproben Dinge in einer Virtual und Augmented Reality (→ Glossar), lernen ebenso on demand wie wir Filme und Serien bei einem Streamingdienst gucken. Wir erweitern unsere digitalen Grundfähigkeiten, machen uns vertraut mit kollaborativen, agilen Arbeitsmethoden und mit Fragen des Datenschutzes – am Ende können wir bei jedem Thema mitreden. Aber ist das auch zielführend?
Ein Gespräch über Digitalisierung und Lernen mit einem, der es wissen muss: Werner Spielmann konzipiert und entwickelt bei VIWIS digitale Bildungslösungen u.a. für die Versicherungsbranche.
Digitalisierung, neue Arbeitsmethoden, neue Kompetenzen – vieles ist im Umbruch und nicht jeder behält über die Neuerungen den Überblick. Manch einer beginnt gerade erst, sich für einige Aspekte zu interessieren. Wie steigt man am besten in das Thema ein?
Das Neue, worüber heute geredet wird, geht einher mit vielen neuen Begriffen. Wer sich erst einmal mit den Begrifflichkeiten vertraut macht, schafft sich eine gute Grundlage, genügend Sicherheit, um tiefer einzutauchen.
Wäre das nicht auch ein interessantes Kursangebot, Digitalisierung bzw. New Work für Einsteiger?
Gute Idee, aber mit Rücksicht auf Datenschutz und Arbeitnehmerrechte. Denn letztlich läuft so etwas darauf hinaus, herauszufinden, wer über welches (Vor)Wissen verfügt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass damit auch Defizite aufgedeckt werden könnten. Und schon sind wir in einem äußerst sensiblen Bereich und bei Fragen des Datenschutzes angekommen.
Wir haben so einen Kurs entwickelt und uns dabei intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Bei uns heißt der Kurs DigiCheck, der als persönliche Standortbestimmung konzipiert ist und Empfehlungen für weitere Lernangebote ausspricht. Da nur der Mitarbeiter seine Ergebnisse einsehen kann, sind die Fragestellungen zum Datenschutz und zu Arbeitnehmerrechten berücksichtigt.
Vielleicht kommt dabei heraus, dass ich einen Methodenworkshop und irgendetwas zu Datenanalyse machen soll. Aber wie erkenne und verfolge ich einen bzw. meinen roten Faden in Sachen Weiterbildung?
Das ist eines der Themen, an denen in den Häusern gearbeitet wird – die Entwicklung und Einführung durchgängig digital unterstützter Personal(qualifizierungs)prozesse. In den Unternehmen existieren sehr viele Insellösungen, die wir zusammenfügen müssen, die wir in einen fortwährenden Lernprozess integrieren müssen. Damit sind wir beim Talent- bzw. Kompetenzmanagement und wir sind bei dem Thema Lernprozess bzw. lebenslanges Lernen in Begleitung des gesamten Arbeitslebens.
Die Unterstützung durch Personalentwickler geht heute bereits in diese Richtung, beginnend beim Recruiting, Onboarding und der konsequenten individuellen Weiterentwicklung. Das wird teilweise auch mit digitalen Tools, Lernmanagementsystemen unterstützt, so dass Lernwege hochgradig individualisierbar sind.
Und was machen MitarbeiterInnen, die schon (länger) im Job sind?
Bei unserem DigiCheck findet auch dieser Mitarbeiter passende Empfehlungen. Im Idealfall steuert auch die Führungskraft ein Stück weit die Entwicklung, gibt Empfehlungen, motiviert. In jedem Fall kann Eigeninitiative nicht schaden, neugierig sein, sich für Themen interessieren und selbst aktiv werden…
Dazu fehlt im Job aber oft die Zeit.
Das ändert sich gerade, zumindest in puncto Weiterbildung. Mehr und mehr Unternehmen gehen dazu über, Lernzeit und damit Bildungszeit als Arbeitszeit anzuerkennen bzw. den Freiraum dafür zu schaffen, in dem zum Beispiel getaktete Jobs aus dem Takt herausgenommen werden, um Lernen während der Arbeitszeit zu ermöglichen. Unabhängig davon gab es ja schon immer Pflichtseminare, jetzt ganz aktuell auch eine Weiterbildungspflicht gemäß IDD. Diese Weiterbildungszeit ist für Angestellte Arbeitszeit und damit aus Unternehmenssicht auch eine Frage der Kosten, was eine Nachfrage nach digitalbasierten Lösungen zur Folge hat.
Machen eLearning-Angebote klassische TrainerInnen überflüssig?
Nein, aber die Aufgaben und Anforderungen ändern sich, wie in anderen Bereichen auch. Viele Trainer haben bereits umgesattelt auf eTraining und blended learning. Hinzu kommt, dass nicht jedes Thema für ein eLearning-Angebot geeignet ist. Softskills, Verhaltensänderungen zum Beispiel, die kriegen Sie mit einem reinen eLearning nicht hin. Dazu brauchen Sie ebenso Präsenztrainings, Beobachtungen, Reflexionen, am besten eine Kombination aus unterschiedlichen Lernformen, blended learning also. Reines eLearning können Sie dagegen gut zur Vermittlung von kognitivem Wissen einsetzen. Trainerkollegen sollten sich aber aktiv überlegen, ob sie ihr Qualifikationsprofil durch Weiterbildung zeitnah erweitern.
eLearning, lernen mit Hilfe von Computerprogrammen, gab es schon im letzten Jahrhundert, da hieß es allerdings noch Computer based Training. Was hat sich seitdem geändert?
Zum Einen natürlich die Art der Angebote, die sich entsprechend den Möglichkeiten weiterentwickelt hat. Heute haben wir stabile virtuelle Klassenzimmer und etablierte Tools wie Skype. Neue Möglichkeiten eröffnen sich zum Beispiel auch durch Virtual Reality und iPad-Klassen in den Berufsschulen. Zum Anderen haben sich die Breite und Tiefe der Lernangebote und die Art und Weise des Lernens verändert. Gerade bei dem letzten Punkt sind wir in einem Wandlungsprozess, der vom individuellen Lernen zum Lernen in Netzwerken, zum social learning führt. Zudem müssen wir die Digitalisierung inhaltlich begleiten, die entsprechenden Kompetenzen vermitteln und die Art der Angebote an den Digitalisierungsprozess anpassen, das heißt, sinnvolle neue Möglichkeiten im Bildungsbereich kreativ nutzen. Ein Stichwort ist hier zum Beispiel, zu erklären was Agilität bedeutet.
Nicht zuletzt sind wir als Entwickler von Lernangeboten von der Digitalisierung betroffen: Wir integrieren Lernprozesse in digitalen Prozessketten in den Häusern – erhöhen also den Datenaustausch zwischen bislang wenig vernetzen Systemen.
Vielen Dank Herr Spielmann.
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