Neue Räume für neues Arbeiten

Agiles Arbeiten ist Teamwork, kreative Atmosphäre - im übertragenen und im räumlichen Sinn. Müssen Versicherungsunternehmen jetzt umbauen? Discover Digital hat zwei Experten interviewt.
Führungskräfte, Vertriebler// 15. Oktober 2018

Die Millennials stehen in den Startlöchern, um die (Versicherungs-)Wirtschaft neu zu gestalten. Die selbstbewusste Generation der Twentysomethings ist offen, kommunikativ und lebt eine eigene Arbeitskultur. Und sie erwarten, dass ihr Arbeitsplatz diese Eigenschaften widerspiegelt. Wie also müssen die Räume aussehen, in denen sich die neuen Wissensarbeiter entfalten können?

Ein Gespräch mit Ines Lege und Maik Marten. Ihr Berliner Architekturbüro Office for New Work Spaces, ONWS, entwirft Räume für agiles, modernes Arbeiten. Zu ihren Kunden gehören (Berliner) Start-ups aber auch traditionelle Unternehmen.

 

Hat das klassische Büro ausgedient?

ONWS: Ja und nein. Ja in Bezug auf die nachrückende Generation. Das ist eine sehr selbstbewusste Generation, der der klassische Nine-to-five-Job eher fremd ist. Diese Leute haben eine veränderte Einstellung zu Arbeit und Leben, achten auf eine Work-Life-Balance und stellen hohe formale und inhaltliche Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Nein, weil man bei dem Thema nicht in ein Schwarz-Weiß-Denken verfallen darf. Herkömmliche Strukturen müssen nicht über Bord geworfen werden. Was aber notwendig ist, ist der Mut zu Neuem, zur Veränderung.

Die Versicherungswirtschaft arbeitet im Moment viel mit räumlich ausgegliederten Digitallaboren, die architektonisch durchaus mit einigen Start-ups konkurrieren können.

ONWS: Das ist auch wichtig, um attraktiv für junge Talente zu sein. Das beginnt übrigens schon bei der Standortwahl. Wir sehen hier einen gewaltigen Druck im Recruiting, insbesondere in Berlin. Attraktive Arbeitgeber brauchen ein attraktives Büro in einem der angesagten Viertel. Irgendwo am Stadtrand ist für viele schon ein Ausschlusskriterium, weil sie lieber mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Sie besitzen oft kein Auto, wollen auch gar keins.

Obligatorisch scheint ein Kicker und oder eine Tischtennisplatte zu sein?

ONWS: Was Sie damit ansprechen sind die Social Areas, offene Kommunikationsräume, die tatsächlich ein wichtiges Kennzeichen und ein Spiegelbild der veränderten Ansprüche sind. Es geht darum, im lebendigen und offenen Austausch miteinander zu leben und zu arbeiten. Dafür sind offene und kommunikative Räume ebenso notwendige wie Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten. Die Social Areas haben aber noch eine andere wichtige Funktion: Die neue Mitarbeitergeneration trennt nicht mehr rigoros zwischen Arbeit und Privatem. Anders ausgedrückt: Sie bringen ihr Privates selbstverständlich mit in die Arbeit und dort soll und muss dafür Platz sein. „We are family“ ist zum Beispiel so ein typisches Motto, was die Leitlinie bei einem unserer Projekte war.

 

Die Räume, die Sie kreieren, sprechen eine junge Generation an. Aber auch diese wird älter, die Interessen verändern sich. Funktionieren diese Büros auch noch in zehn oder fünfzehn Jahren?

ONWS: So lange läuft meistens nicht einmal der Mietvertrag für die Objekte mit denen wir arbeiten. Es sind Momentaufnahmen, die sehr im Hier und Jetzt verankert sind, aber auch hohe Ansprüche in puncto Flexibilität, Wachstum und Skalierbarkeit stellen.

Das bedeutet konkret?

ONWS: Wir sind nicht nur Architekten, Berater und Projektmanager, sondern zugleich auch Grafik- und Produktdesigner. Je nach Anforderung entwerfen wir also auch das Mobiliar oder Teile davon. In einem Fall, in dem die Skalierbarkeit eine besondere Rolle spielte, haben wir unter anderem entsprechende Tische entwickelt, die beliebig erweiterbar sind.

Stoßen Sie bei dem Thema nicht schnell an die Grenze von Arbeitsplatzrichtlinien? Gerade der Abstand von Schreibtischen ist sehr genau geregelt…

ONWS: Unser Auftrag ist es meistens, agiles und flexibles Arbeiten zu ermöglich, die Abläufe mit bzw. in den Räumen effizient zu unterstützen. Dafür sind in aller Regel offene und kommunikative Räume notwendig, die einen permanenten Austausch und Diskurs, kreatives Arbeiten ermöglichen. Zugleich ist ein attraktives Wohlfühlambiente gefragt. Dann sollen die Räume aber auch maximal nutzbar, multifunktional sein, gerade wenn nur eine geringe Grundfläche zur Verfügung steht. Mit diesen Parametern als Vorgabe stoßen wir natürlich an Grenzen. Bei der Akustik zum Beispiel, die uns immer ein besonderes Anliegen ist. Akustik aber ist teuer, das ist dann wieder eine Budgetfrage. Wir sprechen diese Themen an. Die Entscheidung fällt aber letztlich der jeweilige Auftraggeber. Andere Grenzen und Auflagen, etwa beim Brandschutz, sind natürlich nicht diskutabel.

Was man auch fast überall antrifft: Beschreibbare Wände. Diese sind bei agilen Projekten fast schon integraler Bestandteil. Bei Ihnen auch?

ONWS: Ja, natürlich.

Ein Beispiel?

ONWS: Die Berliner Niederlassung eines amerikanischen Unternehmens hat die vorhandene Bürofläche um 200 Quadratmeter erweitert. Diese sollten multifunktional nutzbar gemacht werden, unter anderem eben mit einem Projektraum, den wir mit einigen Besonderheiten ausgestattet haben. Es stellt sich zum Beispiel ja immer die Frage, was machen wir nun mit den beschriebenen Wänden? Abfotografieren? Weiterarbeiten kann man damit auch nicht, weil die Wand vielleicht abgewischt wurde. Also haben wir diese Flächen mobil gestaltet. Die kann man jetzt abnehmen, in sein eigenes Büro hängen oder auch archivieren. Darüber hinaus ist eine Wand verschiebbar, so dass mit dem angrenzenden Raum ein größeres Forum entsteht, zum Beispiel für Präsentationen. Der Raum an sich ist unmöbliert, bis auf eine Ablage für Laptops, die wir eigens dafür entwickelt haben. Das ist im Grunde ein kleines Stehpult, das sich aber, um 90 Grad gekippt, auch als Sitzmöbel eignet.

 

Müssen Versicherungsunternehmen ihre Räume jetzt umgestalten, damit wir agil arbeiten können?

ONWS: Die Frage, die sich uns stellt ist: Welche Aufgaben, Funktionen, Abläufe benötigen welche Räume? So betrachtet, entdeckt man auch die Chancen, die sich vielleicht eher tradierten Unternehmen bieten. Eine Anwaltskanzlei, für die wir einmal ein Projekt realisiert haben, verbindet man nicht unbedingt mit Open Space und Social Areas. Genau das aber haben wir auf Wunsch dort realisiert, weil viele Abläufe diese Räume auch benötigen. Daneben bestehen natürlich die herkömmlichen, abgeschlossenen Büros für vertrauliche Beratungen und konzentriertes Arbeiten. Dieses Konzept wurde und wird von den Beschäftigten und den Mandaten der Kanzlei mit Begeisterung angenommen und gelebt. Es geht also darum, Neues zu wagen, einfach mal auszuprobieren.

Zur Person: Ines E. Lege, Diplom Architektin, und Maik Marten, Diplom Betriebswirt, haben 2014 das Studio für Interior Design ONWS in Berlin gegründet. Das Office for New Work Spaces ist ein Team aus Architekten, Innenarchitekten, Designern und Grafikern und hat sich auf die Gestaltung von Büro- und Geschäftsräumen spezialisiert.

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