Die spielerische Vermittlung von Wissen und Kompetenzen ist eines der großen Digitalthemen in der Aus- und Weiterbildung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Computerbasierte Anwendungen sind unabhängig von Zeit und Ort, die Lernenden verfolgen ihr eigenes Tempo, spielerische Elemente erzielen höhere Lerneffekte.
Die ersten, aus heutiger Sicht eher holzschnittartigen Lernmodule für computerbasiertes Lernen gab es bereits in den 1980er Jahre. Heute konkurrieren Game-based-learning-Anwendungen mit der Optik komplexer Spielewelten und adaptieren Mechanismen aus diesen in die Arbeitswelt. Zum Beispiel den simplen Wunsch, den nächsten Level zu schaffen. Experten nennen dies intrinsische Motivation. Der Effekt: Das so erarbeitete Wissen bleibt haften – im Gegensatz zur meist passiven Aufnahme in Präsenzseminaren.
Damit dies auch gelingt, arbeitet ein ganzes Heer an Experten – Psychologen, Trainer, Visual- und Motion-Artists, Programmierer, Datenbankspezialisten u.a.m. – an der jeweils spezifischen Entwicklung einer Lernspiel-Anwendung.
Discover Digital hat sich das Allianz Sales Game genauer angeschaut: In einem realistischen, interaktiven Rollenspiel werden spielerisch mehrere Verhaltensdimensionen trainiert. Die Steuerung erfolgt über die Auswahl aus jeweils einer Reihe unterschiedlicher Antwortmöglichkeiten. Rund 16 Millionen Varianten des Spielverlaufs sind dadurch möglich. Dem Spieler wird am Ende eine Rückmeldung gegeben. Sieben Gesprächsphasen werden dazu analysiert und bewertet. Gleichzeitig ist der Spieler gefordert, seine verkäuferische Kompetenz selbst einzuschätzen. So werden Selbst- und Fremdeinschätzung miteinander abgeglichen, ein Gesamtscore ist die Basis für die persönliche Weiterentwicklung.
Frau Edelmann, Herr Busch, wie realistisch sind die Szenarien, die mit dem Sales Game trainiert werden?
E./B. Die Szenarien sind extrem realistisch. Um dies sicherzustellen, haben wir erfahrene Verkäuferinnen und Verkäufer, Trainer und Führungskräfte bei der Erstellung der Drehbücher miteinbezogen. Die beteiligten Vermittler haben darauf geachtet, dass die Themen vorkommen, denen sie in der Praxis begegnen und vor allem auch eine Sprache gesprochen wird, die die Realität wiedergibt.
Das Sales Game zielt in erster Linie auf NachwuchsverkäuferInnen. Können damit auch gestandene Profis trainieren? Wie hoch ist deren Lern- und Veränderungsbereitschaft?
E./B. In Deutschland stehen wir gerade vor dem Roll-Out. Die Nachwuchsverkäufer haben sich von Anfang an begeistert und aufgeschlossen gezeigt. Auch die erfahrenen Verkäufer sind extrem interessiert. Wir sind keinen Berührungsängsten mit diesem neuen digitalen Format begegnet, vielmehr großer Neugier. Die Lernbereitschaft ist sehr hoch, schließlich verspricht das Sales Game eine Optimierung der verkäuferischen Kompetenz. Und welcher Verkäufer kann da schon „Nein“ sagen. Grundsätzlich ist das Sales Game ein Zusatzangebot und kein verordnetes Programm. Es geht aber sehr wohl auf ein geändertes Lernverhalten insbesondere bei den Millennials ein: es nutzt den selbstverständlicheren Zugang zu digitalen Medien und die höhere Affinität zu spielerischen Anwendungen.
Einerseits eröffnet diese Form des Lernens sehr viele Freiräume. Andererseits setzt dies eine Grundaffinität zu solchen digitalen Lernmethoden voraus, die man den Millennials sicher attestieren kann. Und die anderen? Begegnen Ihnen auch Vorbehalte?
E./B. Bis jetzt überhaupt nicht. Alle, die das Sales Game bisher kennengelernt haben, wollten es immer wieder spielen, um ihre verkäuferische Kompetenz zu erweitern. Das ist keine Frage des Alters oder der Generationen, vielmehr ist es eine Frage der Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber. Notwendig ist eine Bereitschaft, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Es gilt aber auch, das Lernen zu lernen, den Umgang mit neuen Lernmedien. Das ist ein Aspekt, den wir in weiteren Ausbaustufen berücksichtigen wollen.
Spielerisch kann ich im Sales Game meinen Score, meine Performance verbessern. Wie sieht der Transfer in die Praxis aus? Erzielen die so trainierten VerkäuferInnen mehr Abschlüsse, eine höhere Kundenzufriedenheit?
E./B. Der Roll-Out steht in Deutschland wie gesagt gerade bevor, aber die Informationen aus Frankreich, wo das Spiel ja bereits im Einsatz ist, können als klare Indikatoren verstanden werden, dass die Verkäufer ihre Performance verbessern und die Kunden zufriedener mit der Beratung sind. Es ist allerdings schwierig, dies zu messen. Die Menschen sind vielschichtige Persönlichkeiten. Ebenso vielschichtig ist ein Verkaufsgespräch. Einen Anstieg der Verkaufszahlen auf nur eine Maßnahme zurückzuführen, dürfte daher schwierig sein.
Das Sales Game ist in der Allianz Frankreich etabliert, die deutsche Version wurde von der Allianz Beratungs- und Vertriebs AG gemeinsam mit der Allianz Österreich und der Allianz Schweiz entwickelt. Ticken die KundInnen in Europa alle ähnlich?
E./B. Die Antwort lautet ja und nein. Global gesehen sind die Kundenbedürfnisse erwiesenermaßen sehr ähnlich. Jeder Kunde möchte individuell und persönlich beraten werden. Bei der Entwicklung haben wir jedoch Feedbacks aus unterschiedlichen Ländern und von ganz verschiedenen Vertriebspositionen eingeholt. Denn es geht ja um Interaktion und Kommunikation zwischen den Menschen. Aus der kulturvergleichenden Psychologie wissen wir, dass es dabei durchaus Unterschiede gibt. Zum Beispiel berühren sich Menschen im Gespräch in südeuropäischen Ländern, in Spanien oder Italien etwa, häufiger als dies die Nordeuropäer tun, in Norwegen oder Schweden zum Beispiel. Gleichzeitig gibt es aber auch übereinstimmende Muster. So ist es in jedem Verkaufsgespräch immer wichtig, zunächst einen guten Kontakt zwischen Berater und Kunden herzustellen sowie den tatsächlichen Bedarf des Kunden sehr genau zu ermitteln. Auf diese übereinstimmenden Muster zielen wir mit unserem Training ab. Die nationalen Besonderheiten werden dann in den einzelnen Ländern eingepflegt.
Über das Sales Game hinaus: Durch die Digitalisierung ist der Markt für KundInnen transparenter, vergleichbarer geworden. Begegnen diese dem Vertrieb nun auch kritischer?
E./B. Unserer Einschätzung nach sind die Kunden heute besser informiert, wenn sie in ein Beratungsgespräch kommen. Sie haben sich häufig im Internet über Versicherungsthemen informiert. Gleichzeitig legen sie aber weiterhin großen Wert auf eine umfangreiche Beratung. Hierbei spielt häufig eine Rolle, dass sie Unterstützung dabei haben wollen, wie die Informationen, die sie im Internet gefunden haben, zu bewerten sind. Oft brauchen sie auch darin Unterstützung, bestimmte versicherungsspezifische Sachverhalte tatsächlich zu verstehen. Weiterhin ist es nach wie vor so, dass der persönliche Kontakt zum Vermittler eine wichtige Rolle spielt. Die Kunden wollen wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie einen Schaden hatten, wie zum Beispiel einen Autounfall oder wenn das Haus unter Wasser steht. Dann wollen sie nicht nur mit einer Hotline telefonieren, sondern mit ihrem persönlichen Ansprechpartner. Sie wollen dann nicht nur eine Nummer sein, sondern ein Mensch, dem in der Not geholfen wird.
Online-Abschlüsse, InsurTechs: Ist die Digitalisierung Ihrer Meinung nach für den Vertrieb eine Gefahr, oder eher eine Herausforderung, eine Entlastung, da mehr Zeit für das Kerngeschäft, die persönliche Beratung bleibt?
E./B. Unserer Einschätzung nach ist es eine Entlastung. Durch die Möglichkeit der Online-Beratung, die wir als Allianz anbieten, können unsere Kunden sehr gut beraten werden. Manche Kunden wollen es ja gar nicht mehr, dass der Vertreter zu ihnen nach Hause kommt. Ihnen ist es viel lieber, wenn man sich online, im digitalen Raum trifft und dort die Beratung durchführt. Kunde und Vermittler sparen sich so viel Zeit und Aufwand. Letztlich kann dies im Einzelfall also eine Win-Win-Situation sein, denn die Beratung kann mit digitaler Unterstützung noch gezielter, noch fokussierter erfolgen. Für unsere Vermittler bedeutet dies auf der anderen Seite jedoch auch, dass sie über ein größeres Instrumentarium verfügen und dieses beherrschen, damit umgehen lernen müssen, um erfolgreich damit zu arbeiten. Denn das sollte man bei aller Begeisterung nicht vergessen: Die digitalen Tools sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck und der heißt bei uns immer noch „Beraten und Verkaufen“.
Zum Schluss: Welche sind Ihre persönlichen Favoriten…
für die Online-Positionierung: Facebook oder…?
Facebook und persönliche Homepage
zum Netzwerken: XING oder LinkedIn?
Xing
als Messenger: WhatsApp oder SMS?
WhatsApp
fürs visual storytelling: Instagram oder Snapchat?
Nutze ich nicht – also weder noch
für Erklärungen: Podcasts oder YouTube?
Beides
Zur Person: Isabella Edelmann ist Referentin People and Culture Management bei der Allianz SE in München; Martin Busch leitet den Bereich Digitales Lernen der Außendienst Akademie der Allianz Beratungs- und Vertriebs AG in Köln.