Einmal im Jahr eine MitarbeiterInnenbefragung und ein persönliches Gespräch mit der Führungskraft: als Feedback zur eigenen Arbeit genügt das Vielen schon längst nicht mehr. „Zu allgemein, zu weit entfernt vom Tagesgeschäft und wirklich etwas bewegen kann ich damit auch nicht,“ ist die mitunter ablehnende Haltung gegenüber solchen Methoden.
Gerade jüngere MitarbeiterInnen sind es gewohnt, sofort und auf alles eine Rückmeldung zu geben bzw. zu erhalten. Shopping-Portale und soziale Medien haben eine Feedbackkultur entstehen lassen, die fast schon reflexartig funktioniert. Service-Hotlines verschicken, kaum dass ein Telefonat beendet ist, einen detaillierten Fragebogen bzw. einen Link zur Bewertung des gerade geführten Gesprächs per E-Mail.
Auf der einen Seite steht also eine gelernte und verinnerlichte Feedbackkultur. Auf der anderen Seite, im Arbeitsleben, herrscht ein Gefühl von Anonymität und fehlender Mitsprachemöglichkeiten. Zahlreiche Tools versuchen zwar diese Lücke zu füllen. Allein mit einer technischen Lösung ist es jedoch nicht getan.
Eingebettet aber in einen Kulturwandel lässt sich damit durchaus einiges erreichen: zum Beispiel, dass sich die MitarbeiterInnen wahrgenommen fühlen; dass ein Dialog entsteht, der die Ergebnisse der eigenen Arbeit kritisch hinterfragt und der Unternehmen die Möglichkeit gibt, Stimmungen im Haus sehr genau zu erfassen – und darauf zu reagieren.
Das aber will gelernt sein – vom Arbeitgeber ebenso wie vom Arbeitnehmer: ehrlich, im Ton ausgewogen, kritisch, sachlich und konstruktiv, geben und annehmen, sind nur einige Facetten, die ein fundiertes Feedback umfasst.
Wie so etwas in der Praxis funktioniert, haben wir uns bei Policen Direkt Versicherungsvermittlung angesehen, die sich mit ihrem Projekt Digital Feedback & Development für den InnoWard auf dem diesjährigen Bildungskongress der Deutschen Versicherungswirtschaft beworben hat.
Die technische Basis für deren neue Feedbackkultur ist TeamEcho, ein individualisierbares und agiles Stimmungsbarometer für Unternehmen.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Feedbackkultur, Frau Arrami. Wie schwer war es, die MitarbeiterInnen, von der Poststelle bis zur Geschäftsführung, dafür zu begeistern?
Arrami: Vielen Dank. Wie bei allem, das neu in einer Organisation eingeführt wird, gab es auch bei uns von Anfang an Befürworter und Zweifler. Befürworter hatten teilweise überhöhte Erwartungen an unser Projekt Digital Feedback & Development. Zweifler hatten die unterschiedlichsten Bedenken, zum Beispiel die Angst davor, dass negatives Feedback Einfluss auf die eigene Gehalts- oder Karriereentwicklung hat. Das ist natürlich nicht der Fall, da der Fokus des Projekts ganz klar auf der individuellen Weiterentwicklung jedes Einzelnen liegt.
Über informelle Workshops und einer für das Projekt eigens eingerichteten Gruppe im internen sozialen Netzwerk haben wir allen MitarbeiterInnen – ob Befürworter oder Zweifler – die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen und sich mitzuteilen. Das hat geholfen, den Austausch in der Belegschaft immer wieder anzustoßen und sich mit dem Projekt gedanklich auseinanderzusetzen.
Von Anfang an haben zwei Botschaften, die wir in den Mittelpunkt gestellt haben, für eine Grundakzeptanz bei allen geführt. Erstens: Für alle gelten die gleichen Regeln. Und zweitens: Niemand ist der perfekte Alleskönner. Auch kein Geschäftsführer. Deshalb sollte der Output für jeden sein, sich über seine Stärken bewusst zu werden und wie diese bestmöglich bei uns eingesetzt werden können.
Wie haben Ihre MitarbeiterInnen gelernt, einerseits konstruktives Feedback zu geben und andererseits vor allem ein solches auch anzunehmen?
Arrami: Viele unserer MitarbeiterInnen kannten bereits die gängigen Feedbackregeln, die sich fast ausschließlich auf das Feedback-Geben beziehen. Bei unseren Workshops zu Feedback war unsere Kernbotschaft, dass Feedback nur hilfreich ist, wenn es nicht als allgemeingültige Aussage verpackt ist. Deshalb haben wir den MitarbeiterInnen in verschiedenen Lernangeboten die Möglichkeit gegeben, zu üben wie sie schriftlich die eigenen subjektiven Wahrnehmungen in den richtigen Kontext setzen können, damit das Gegenüber besser entscheiden kann, wie es damit umgeht.
Bei der Annahme von Feedback gab es tatsächlich die höhere Lernkurve. Denn beim Erhalt von Face-To-Face-Feedback gilt es Regeln zu beachten, wie zum Beispiel aufmerksam zuzuhören, den anderen ausreden zu lassen. Bei dem Erhalt von schriftlichem Feedback entfallen solche Regeln und andere Faktoren werden entscheidend, um aus dem Erhalt von konstruktivem Feedback das Beste für sich herauszuziehen.
Beim 360-Grad-Feedback durch bis zu acht KollegInnen sollen nicht Pro- und Contra-Argumente im Fokus stehen, sondern die Identifikation von Stärken und Entwicklungsfeldern. Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Arrami: Eine Mitarbeiterin in unserem Team Finance war sehr überrascht als sie die Zusammenfassung ihres 360-Grad-Feedbacks in der Hand hielt. Sie hatte mit Feedback zu der Qualität ihrer Arbeit gerechnet. Von vielen KollegInnen kam aber zusätzlich die Rückmeldung, dass sie persönlich und remote komplizierte Zusammenhänge sehr gut erklären kann und Teammitglieder oder Auszubildende sehr sorgfältig bei neuen Aufgaben anleitet.
Dieser Stärke war sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. In einem anschließenden Feedbackgespräch mit ihrem Vorgesetzten meldete sie sich freiwillig für unsere interne Weiterbildung zur Onboarding-Mentorin an und erfüllt diese Rolle seitdem hochmotiviert zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit. Genau solche Beispiele sind es, die wir für uns als Erfolge für Digital Feedback & Development verbuchen.
Im Homeoffice, am Remote-Arbeitsplatz, geschieht es leider viel zu häufig, dass der Mensch hinter der Arbeit nicht mehr sichtbar ist. Brauchen wir demnach eine New Work Kultur und welche Rolle spielt dabei das Feedback?
Arrami: Unter dem Begriff New Work Kultur verstehen wir, dass wir als Organisation kontinuierlich das Ziel verfolgen, unseren MitarbeiterInnen eine Plattform für bestmögliche Arbeits- und Erfolgserlebnisse zu bieten. Und das funktioniert unserer Meinung nach nur durch das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse.
Viele unserer MitarbeiterInnen sind mobiles Arbeiten und die Nutzung von verschiedenen digitalen Tools mittlerweile gewohnt. Aber je mehr die Grenzen zwischen Arbeits- und Wohnort verschwimmen, desto höher ist der Bedarf an regelmäßiger und zeitnaher Rückmeldung zu den eigenen Arbeitsergebnissen in Form von Feedback und umso größer ist der Anspruch unserer MitarbeiterInnen, ihre persönlichen Lebensumstände und -ereignisse zu begleiten und zu berücksichtigen. Unser Projekt Digital Feedback & Development sehen wir dabei als einen elementaren Baustein, der uns dieser New Work Kultur näher bringt.
Ihre Lösung bietet unter anderem die Möglichkeit, Stimmungen punktuell und unternehmensweit zu erfassen. Nehmen wir an, das Ergebnis einer Umfrage wäre: Die Stimmung ist im Keller. Was würde in der Folge geschehen?
Arrami: Geschäftsleitung, Human Relations und die TeamleiterInnen sitzen in regelmäßigen Abständen zusammen und besprechen die Stimmungswerte des gesamten Unternehmens und der einzelnen Teams. Durch die Stimmungsumfragen erhalten wir nicht nur Werte, sondern auch viele anonyme Kommentare und Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft. Diese greifen wir auf und diskutieren, welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden können. Die Belegschaft wird hierüber kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten und hat die Möglichkeit über unser internes soziales Netzwerk weitere Impulse zu geben.
Wenn Sie ein Resümee ziehen: Was hat sich durch die Einführung von TeamEcho verändert – für das Unternehmen und im Arbeitsalltag der MitarbeiterInnen?
Arrami: Die Einführung von TeamEcho hat uns dabei geholfen zu erkennen, wie unterschiedlich Stimmung, Organisationskultur und Arbeitsumgebung in unseren Teams wahrgenommen werden. Unsere operativen Teams bevorzugen zum Beispiel den schnellen und unkomplizierten Austausch im Großraumbüro. Unser Team Finance bevorzugt ähnlich wie unsere IT-Entwickler eine Arbeitsumgebung, in der es möglichst keine spontanen Unterbrechungen der eigenen Arbeitsaufgabe gibt. Mit diesen Erkenntnissen können wir dementsprechend zielgerichteter und bedarfsorientierter Maßnahmen einleiten. Wir nehmen auch wahr, dass sich MitarbeiterInnen im Unternehmen mehr gehört fühlen und dadurch proaktiv zahlreiche Verbesserungsvorschläge eingereicht werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Samira Arrami ist Human Resources Manager der Policen Direkt Gruppe. Arrami leitet das Projekt Digital Feedback & Development und beschäftigte sich vorausgehend mit der Frage, wie Stimmungen und die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen schnell und kontinuierlich eingefangen werden können. Die Einführung des 360 Grad Feedbacks, zunächst ein Lernprozess für die gesamte Organisation, wurde begleitet mit Workshops, Lernangeboten und zahlreichen Hilfsmitteln.