Abheben aus der Gleichförmigkeit

Ist Personal Branding nur ein weiteres Buzzword? Für wen und warum ist der Aufbau einer Eigenmarke sinnvoll? Ein Gespräch mit MarKo Petersohn, Social-Media-Experte.
Führungskräfte, Vertriebler// 24. September 2019

Nicht mehr länger eine Nummer sein, klares Profil und Kante zeigen – das ist das Prinzip von Personal Branding.
Der Begriff wurde erstmalig 1997 von dem US-amerikanischen Managementberater Tom Peters verwendet. „Im Zeitalter der Inszenierungen“, so Jochen Mai in seiner Karrierebibel, „ist die mediale Selbstdarstellung unerlässlich“ – die Ich- bzw. Eigenmarke im Internet. Wer bei Google nicht gefunden wird, ist quasi nicht-existent.

Nach einer Umfrage der LV1871 setzen 69% ihrer Vermittler auf Personal Branding als Wettbewerbsfaktor. Zeit also, einmal nachzufragen, was das eigentlich ist und wie das geht.

Ein Gespräch mit einem, der es wissen muss: MarKo Petersohn ist Experte für Social Media und digitale Positionierung in der Versicherungsbranche, Dozent an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln sowie beim BWV im Rheinland. Mit seinem Unternehmen As im Ärmel berät und schult er Gesellschaften und Vermittler bei ihrer strategischen Markenkommunikation und der digitalen Kommunikation allgemein.

 

Die Ich-Marke im Internet

Personal Branding, (m)eine Personenmarke – brauche ich das und wenn ja warum?

Petersohn: Die Frage geht in die falsche Richtung. Sie impliziert, dass man die Wahl hat eine Personenmarke zu sein oder nicht. Und das ist falsch. Man muss sich bewusst machen, dass in der Online- und Social-Media-Welt jeder und jederzeit Personal Branding betreibt.

Genau genommen, ist das auch nichts Neues. Schon immer profilierten sich Menschen im privaten und vor allem im beruflichen Umfeld. Früher passierte dies häufig unbewusst, aber heute veröffentlicht zum Beispiel niemand mehr unbedacht Bilder auf Facebook. Überlegen Sie nur, wie lange Sie benötigen, um sich für ein Profilbild zu entscheiden. Niemand nimmt einfach das Erstbeste. Jeder nimmt das, was ihn oder sie bestmöglich repräsentiert. Das heißt nicht zwingend Anzug und Krawatte, sondern es bedeutet, man nimmt das Bild, welches am besten zu einem passt und einen so repräsentiert, wie man gesehen werden möchte. Das ist natürlich nur ein kleiner Teil im Themenfeld Personenmarke, aber es zeigt meines Erachtens sehr schön, warum es wichtig ist und dass eigentlich jeder schon an seiner Marke arbeitet.

Im professionellen Kontext wird es zunehmend relevanter, sich ganz bewusst als Personenmarke zu verstehen und entsprechend zu positionieren. Es ist eigentlich sogar unumgänglich, insbesondere wenn man im Vertrieb aktiv ist. Denn die Kunden, für die allein der Preis das Entscheidungsmerkmal ist, werden sich in Zukunft bei Check24, Lemonade & Co. versichern. Für die Kunden, die eine gute Beratung wünschen, wird letztendlich die Personenmarke ein entscheidendes Kriterium dafür sein, ob sie Vermittler A, B oder C kontaktieren.

Was macht eine (starke) Personenmarke aus?

Petersohn: Das ist relativ einfach.
Erstens Klarheit, also Eindeutigkeit. Eine starke Personenmarke steht für ein bestimmtes Thema und nicht für unzählig verschiedene. Je eindeutiger und klarer, umso stärker ist die Personenmarke.
Zweitens Glaubwürdigkeit. Eine starke Personenmarke wird glaubhaft als Experte bei der jeweiligen Thematik wahrgenommen.

Drittens Bekanntheit. Last but not least muss eine starke Personenmarke bekannt sein. Denn Sie können noch so klar und glaubwürdig kommunizieren, wenn sie keine große Reichweite haben, besitzen sie keine Stärke.

 

Personenmarke als digitales Abbild

Wie und wo finde ich mein Thema? Es heißt, ich soll authentisch sein. Was genau ist damit gemeint?

Petersohn: Das ist wirklich der schwerste aller Punkte bei diesem Thema und gleichzeitig doch ganz einfach. Denn man muss sich „nur“ bewusst machen wofür man steht bzw. stehen möchte. Sei es eine Passion, die man hat, eine Zielgruppe, eine Region oder eine bestimmte Produktgruppe. Hat man dieses Thema gefunden, muss man es kontinuierlich aufgreifen. Man muss es „sichtbar“ leben und die Erwartungen, die man durch die kontinuierliche Kommunikation aufbaut, auch erfüllen. Das ist die oft geforderte Authentizität.

Ein einfaches Beispiel: Wenn Sie sich als der fitte Finanzberater positionieren möchten, dann müssen Sie fit und gesund leben und das auch zeigen. Sei es mit Fitnessfotos auf Instagram oder gesunden Rezeptvideos auf Facebook. All das sollten Sie natürlich auch stets noch geschickt mit der Finanzthematik verknüpfen.

Aber das hat noch nichts mit Authentizität zu tun. Diese wird gern mit Privatsphäre verwechselt. Aber das ist falsch. Denn Authentizität bedeutet, dass das eigene Image von anderen Personen als glaubwürdig erachtet wird. In allen Lebenslagen.

Wenn man sich nun beispielsweise als fitter Finanzberater positioniert hat, dann ist ein Fitnessurlaub authentisch. Ein Urlaub auf Mallorca, bei dem man zwischen Bar und Pool pendelt, wäre hingegen nicht authentisch. Was nicht bedeutet, dass man letzteren Urlaub nicht machen darf, man sollte diesen nur nicht online und schon gar nicht auf den eigenen offiziellen Kanälen thematisieren.

 

Twitter, LinkedIn, Facebook, Xing, Instagram – wenn ich mein Thema gefunden habe, wie bringe ich es auf welchem Kanal rüber? Was brauche ich unbedingt und was vielleicht erst später?

Petersohn: Sie müssen sich als erstes entscheiden auf welchem Kanal Sie sich entsprechend positionieren möchten. Ich würde Ihnen raten, sich anfänglich auf ausgewählte Kanäle zu beschränken. Die Auswahl ist dabei abhängig von der eigenen Zielgruppe. Also von den Personen, bei denen man sich als starke Personenmarke positionieren möchte. Berufsanfänger finden Sie auf anderen Plattformen als Best Ager.

Wenn Sie die Kanäle ausgewählt haben – ich rate zu ein bis zwei am Anfang –, dann müssen Sie entsprechend der Kanäle kommunizieren. Sie müssen wissen, worauf es bei den einzelnen Kanälen ankommt. So muss man zum Beispiel Content für Instagram anders aufbereiten, als für LinkedIn und noch einmal ganz anders für Twitter.

 

Aus der Masse herausragen

Und wo bekomme ich den Content her?

Petersohn: Das ist eine Frage, die ich immer wieder höre. Und die Antwort ist, es gibt immer mehr Anbieter guter Inhalte. Spontan fallen mir da der GDV oder das deshalb-versichern-Blog der INTER ein. Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Und die Inhalte sind zweifellos gut. Allerdings sind sie auch ein Allgemeingut. Man kann sie als solide Basis für die eigene Kommunikation nutzen.

Um jedoch eine herausragende Personenmarke zu werden, deren Inhalte aus der Masse herausragen, kommt man nicht drumherum eigene zu kreieren. Denn nur diese besitzen die schon erwähnte Authentizität, sind unique und zahlen zu einhundert Prozent in die eigene Personenmarke ein. Das ist zweifellos anstrengend, zumindest zu Beginn, wenn man die Produktion eigener Inhalte in den Alltag integriert. Aber es zahlt sich aus. Natürlich nur unter der Prämisse, dass man es richtig und gut macht und Ausdauer hat.

Zusätzlich gibt es zahlreiche Foren und Gruppen. Wie finde ich die für mich relevanten?

Petersohn: Es kommt darauf an, worauf Sie den Fokus legen, was Ihre Zielgruppe ist, wofür Sie als Personenmarke stehen möchten. Wollen Sie regional bekannt sein, dann müssen Sie als Person und mit Ihren Inhalten in Regionalgruppen präsent sein. Wenn Sie eine themenspezifische Personenmarke für bspw. Hunde, Katzen, Fische, Autos oder meinetwegen Camping werden wollen, dann müssen Sie in den entsprechenden Gruppen präsent sein, aktiv sein und müssen natürlich passenden Content bieten.

 

Social Media, Webseite, Blog…

Brauche ich eine eigene Webseite, einen eigenen Blog?

Petersohn: Wenn Sie Ihre Personenmarke nur aus Spaß an der Sache und zum Selbstzweck aufbauen, so wie es Teenager zum Beispiel auf Instagram, YouTube und TikTok tun, dann nicht. Aber wenn Sie eine Personenmarke gezielt und mit einer klaren professionellen Absicht entwickeln, dann benötigen Sie zweifellos eine Webseite. Sie ist der Ort im Internet, an dem man die Arbeit, welche man in eine Personenmarke investiert, am besten monetarisiert. Ein Blog benötigen Sie hingegen nur, wenn Sie auch bloggen möchten.

Ein zweiter Punkt, warum ich eine Webseite als essenziell erachte ist, dass man hier die komplette Kontrolle über die eigene Darstellung hat. Ohne, dass man von Änderungen oder gar der Schließung von Social-Media-Plattformen abhängig ist. Stellen Sie sich nur einfach vor, Sie hätten vor Jahren angefangen sich selbst als Personenmarke auf Google+ zu positionieren und profilieren. Vielleicht wären Sie eine der wenigen Personen gewesen, die auf der Plattform richtig erfolgreich wäre. Sie investieren viel Zeit und Content und dann entscheidet Google, wie es im April diesen Jahres geschehen ist, dass der Dienst geschlossen wird. Egal wie präsent und erfolgreich Sie zuvor waren, ohne eigene Webseite wären Sie nun schlicht und einfach nicht mehr existent.

 

Persönlich oder privat oder beides?

Wie persönlich (privat) muss ich dabei werden, um mich auch von anderen zu unterscheiden, von diesen abzuheben?

Petersohn: Wichtig ist, wie schon erwähnt, dass Authentizität nicht gleichbedeutend mit Privatsphäre ist. Wenn Ihre Person, also ihr tatsächliches Privatleben, der Kern ihrer Kommunikation ist, dann müssen Sie natürlich sehr privat werden, wenn es jedoch eine besondere Expertise ist, dann nicht. Denn in dem Fall steht ihre Personenmarke für diese Expertise und nicht für Ihre Person.

Wenn Sie sich beispielsweise als idealer Ansprechpartner für den Versicherungsschutz von Lehrern positionieren, dann spielt es keine Rolle, dass Sie Skiurlaub in Slowenien machen. Wenn Sie hingegen als Versicherungsvermittler ein „ganz normaler Typ“ sind, mit Frau, Kindern, Haus und Garten und diese Normalität in den Fokus ihrer Kommunikation stellen, dann ist der Skiurlaub wiederum relevant und interessant. Denn damit bieten Sie einen weiteren Einblick in das „normale Leben“ eines Versicherungsvermittlers.

Es heißt: Wenn ich nicht in Suchmaschinen gefunden werde, existiere ich nicht. Wie kann ich mich in diesem Punkt zusätzlich optimieren? Muss ich mich mit SEO und SEM auskennen?

Petersohn: Dies ist ein weiterer Punkt, warum ich eine Webseite als essenziell erachte. Denn es stimmt, wenn Sie nicht gefunden werden, dann existieren Sie nicht. Und um gefunden zu werden, sollten Sie sich auf jeden Fall mit SEO, also der Suchmaschinenoptimierung, auskennen. Oder, wenn Sie es nicht selbst machen möchten, zumindest jemanden kennen, der Ihnen von Zeit zu Zeit die Webseite entsprechend optimiert.

Wenn Sie mit SEM das Keyword Advertising meinen, also die gezielte Werbeschaltung auf bestimmte Begriffe bei Google, liegt die Sache etwas anders. Es schadet nicht, sich damit auszukennen. Aber wenn ich eine Prioritätenliste erstellen müsste, dann würde ich SEM beim Thema „Personal Branding“ als nachgelagerten Punkt einordnen. Denn was nützt Ihnen ein bezahlter Klick auf Ihre Webseite, wenn diese nichtssagend ist oder nicht das einlöst, was sich der Suchende davon verspricht?

 

Nichtstun ist keine Option

Vermutlich kann man bei Personal Branding auch eine Menge falsch machen. Was sind die häufigsten, größten Fehler? Was sollte ich unbedingt vermeiden?

Petersohn: Der größte aller Fehler ist das anfangs schon erwähnte Überhaupt-nichts-machen. Denn jeder muss sich bewusst machen, dass man so oder so Personal Branding betreibt. Die Frage ist nur, ob man die Kontrolle über die eigene Personenmarke hat oder nicht. Und ich würde im professionellen Umfeld immer empfehlen, die Kontrolle zu behalten. Ein zweiter Fehler, den ich sehr oft sehe, ist, dass man sich selbst und gegenüber einer Zielgruppe nicht klar positioniert. Ohne diese beiden Kernelemente funktioniert Personal Branding nunmal nicht.

MarKo Petersohn, vielen Dank für das Gespräch.

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