Lernen wird verstanden als Aneignung von Kompetenzen, egal wo, wann und über welchen Zeitraum hinweg dies geschieht. Die Bedeutung und Anerkennung von informellem und non-formalem Lernen steigt. Lernen, auch formales Lernen, wird sich stärker an die Lebenssituationen der Beschäftigten anpassen.
Die Anpassung der Größe der Lerneinheiten in Form von Learning Nuggets oder Microcredentials wird schon lange diskutiert. Durch die Corona-Pandemie konnte sich dieses Verständnis von Lernen in der Unternehmenspraxis und im Privaten etablieren. Wenn Lernen so verstanden wird, dass es überall und jederzeit geschieht und auch non-formales und informelles Lernen umfasst (Lernen-to-go), dann bedeutet das, dass neue Prüfungs- und Kompetenzfeststellungsverfahren notwendig werden, die weiterhin Aussagen über Fähigkeiten und Kenntnisse von Beschäftigten ermöglichen (vgl. Arbeitsgruppe 9+1, 2022, S. 42-43).
Darüber hinaus wird in der bildungspolitischen Debatte zum einen darüber nachgedacht, wie die Ergebnisse kleinerer Lernereignisse beschrieben, systematisiert und sogar zu größeren Kompetenzeinheiten gebündelt werden können (vgl. FernUniversität in Hagen, 2021, S. 6; Zukunftsinstitut, 2013, S. 9-14). Zum anderen wird der gegenteilige Ansatz verfolgt, größere curriculare Bildungsgänge in Module zu untergliedern und mit eigenen Abschlüssen zu versehen, die separat auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sein sollen. Dieser Trend zeichnet sich auch bei formalen Abschlüssen ab.
Die Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft besitzen durchgängig ein hohes Maß an Formalqualifikation (mittlere und höhere Schulabschlüsse, Ausbildungsabschlüsse und Hochschulabschlüsse, vgl. AGV, 2021, S. 12-13). Darüber hinaus steht der Branche eine Vielzahl an weiteren Formalqualifikationen sowohl im beruflichen als auch im akademischen Bildungsbereich zur Verfügung.
Dennoch sind die Herausforderungen in der Versicherungswirtschaft genau die gleichen wie in allen anderen dynamischen Branchen. Der Wunsch der Lernenden nach formalem Lernen mit Abschlüssen ist nach wie vor hoch. Für die Versicherungswirtschaft gilt es zum einen, die Möglichkeit einer stärkeren Modularisierung der staatlich geregelten Fortbildungen in der Branche im Rahmen der Neuordnung des Fachwirts für Versicherungen und Finanzen zu überprüfen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, die bestehenden und in der Branche weit verbreiteten formalen, aber nicht gesetzlich geregelten Branchenabschlüsse auf der Stufenskala des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) abzubilden und damit eine stärkere Orientierung für die Beschäftigten zu bieten.