Predictive Customer Satisfaction – Mit KI auf neuen Wegen in der Kundenorientierung

Kund:innen erwarten von Versicherern beste Serviceleistungen. Besonders in Situationen, die emotional hoch aufgeladen sind und eine professionelle und kundenorientierte Abwicklung erfordern – wie im Schadenfall.
Allgemein, Führungskräfte// 20. September 2021

Welche Chancen der Einsatz von künstlicher Intelligenz, KI, gerade in diesen sogenannten Moments of Truth auf die Customer Experience und die Kundenorientierung bieten, berichten Dr. Jens Hofmann und Dr. Daniel Mühlhaus von der Versicherungskammer Bayern im Gespräch mit Discover Digital.

Kundenorientierung, -zufriedenheit und -treue sind wichtige Schlüsselfaktoren für den unternehmerischen Erfolg, gerade auch im Versicherungssektor. „Der Wettbewerb um die Kund:innen und deren Zufriedenheit ist wichtiger als je zuvor“, sagt Dr. Jens Hofmann, Leiter Customer Insights & Analytics bei der Versicherungskammer Bayern.

„Viele Unternehmen betreiben heute große CX-Programme (Customer Experience-Programme), um das Kundenerlebnis zu verbessern und die Kundenbindung zu erhöhen. Für Serviceversicherer wie die Versicherungskammer ist es daher nur folgerichtig, bereits seit vielen Jahren die Zufriedenheit der Kund:innen an verschiedenen Kontakt- und Erlebnispunkten systematisch und ganzheitlich zu erfassen. Im Rahmen dieses Kundenbarometers laden wir monatlich rund eine halbe Million Kund:innen ein, uns ihr Feedback zu einem jüngst erfolgten Kontakt zu geben.“

Dr. Jens Hofmann, Leiter Customer Insights & Analytics bei der Versicherungskammer Bayern

„Diese Kundenrückmeldungen werden dann systematisch analysiert, um Schwachpunkte in der Kundeninteraktion und auch die Haupttreiber der Kundenzufriedenheit zu erkennen, um Change Prozesse zielgerichtet vorantreiben zu können. Darüber hinaus spielen wir die Feedbacks auch an die zuständigen Fachabteilungen zurück, so dass unzufriedene Kund:innen im Rahmen des „Closing the Loop“ erneut kontaktiert und Zufriedenheiten wieder aufgebaut werden können“, so Dr. Hofmann weiter.

Wenige Moments of Truth entscheiden über die Qualität der Kundenbeziehung

„Im Gegensatz zu Konsumgütern, die wir als Kund:innen tagtäglich erleben können, sind Kundenbeziehungen bei Versicherungen quasi per Design ganz anders gelagert“, erläutert Dr. Daniel Mühlhaus vom Kundenbarometer der VKB.
„Die meisten Kund:innen haben nur sehr wenige echte Kontakte, so zum Beispiel wenn Anpassungen im Vertrag vorgenommen werden. Die wichtigsten Momente einer Kundenbeziehung sind aber der Leistungsfall, wenn Kund:innen ihre Versicherung in Anspruch nehmen; also beispielsweise im Schadenfall, den es zu regulieren gilt.“

Die Relevanz der Kontakte zwischen Versicherer und Kund:in im Schadenfall offenbart das Kundenbarometer der VKB: Ein häufig genannter Kündigungsgrund ist ein aus Kund:innensicht unzufriedenstellender Leistungsfall. Auch zeigen Kundenbestandsanalysen, dass Kund:innen mit einem negativen Schadenerlebnis wahrscheinlicher kündigen, weniger neue Verträge abschließen oder anbündeln und insgesamt einen deutlich geringeren Erfolgsbeitrag leisten, berichtet Dr. Mühlhaus.

Dr. Daniel Mühlhaus, Kundenbarometer Customer Insights & Analytics, Versicherungskammer Bayern

Vielfältige Initiativen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit

Diesen wichtigen Momenten trägt die Versicherungskammer mit zahlreichen Maßnahmen Rechnung. „Wir wissen wie prägend Schadenerlebnisse für die Beziehung zu unseren Kund:innen sind und haben daher in den letzten Jahren eine Vielzahl an Initiativen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit im Schadenbereich gestartet“, so Christian Krams, Vorstandsmitglied und Leiter Konzern Schaden der Versicherungskammer.

Großen Einfluss auf die Zufriedenheit hat neben der Bearbeitungsdauer und der Auszahlungshöhe insbesondere, ob die Entscheidung des Unternehmens auch für die Versicherten nachvollziehbar ist. Daher hat die Kundenkommunikation per se einen sehr großen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die Maßnahmen lassen sich meist auch kurzfristig umsetzen, bspw. durch kundenfreundliches Formulieren der Schriftstücke oder die Ausweitung von Outbound Calls. Oftmals ist ein persönliches Gespräch mit Kund:innen dabei wirkungsvoller, gerade aufgrund der hohen Komplexität einzelner Sachverhalte.

© 2021, VKB

Unzufriedene Kund:innen im Rahmen des Closing the Loop zu kontaktieren ist somit ein wirkungsvolles Instrument zum Erhalt der Kundenzufriedenheit, allerdings mit zwei Schwachstellen:

    Erstens ist es reaktiv und setzt erst an, wenn eine Unzufriedenheit bereits entstanden und kundenseitig zurückgemeldet wurde. Eine Verstimmung zu korrigieren ist bisweilen zeitintensiv und gelingt auch nicht immer. Sehr viel einfacher wäre es natürlich, wenn Unzufriedenheit erst gar nicht entsteht.
    Zweitens gibt nur ein kleiner Teil der Kund:innen ein Feedback, sodass viele „unbemerkt“ unzufrieden sind und im Ernstfall kündigen, Beschwerde oder Klage einreichen bzw. über negative Mundpropaganda einen großen Aufwand in der Nachbereitung verursachen und negative wirtschaftliche Effekte auslösen.

Mit künstlicher Intelligenz neue Wege beschreiten

Diese beiden Schwachpunkte können durch → Machine Learning und daraus aufgebauten KI Modellen behoben werden. Die hochautomatisierten Verfahren analysieren dabei ständig die individuellen Schadenerlebnisse und Interaktionen, um daraus die Zufriedenheit der Kund:innen vorherzusagen. Diese Modelle arbeiten sehr verlässlich und liefern hervorragende Trefferraten, sodass die Zufriedenheit der Kund:innen mit rund 85% Genauigkeit vorhergesagt werden kann, so Dr. Mühlhaus.

Da KI Modelle gänzlich ohne Kundenrückmeldungen auskommen, kann so auch den „stummen“ Kunden eine Stimme gegeben werden und sie können zielgerichtet und proaktiv – noch bevor ein finales Abrechnungsschreiben verschickt wird – von Servicemitarbeiter:innen kontaktiert werden. Gut geführte Kundencalls, in denen eine Entscheidung empathisch begründet wird, führen ersten Tests nach zu einer höheren Nachvollziehbarkeit auf Kundenseite und steigern die Zufriedenheit beträchtlich. Unzufriedenheit mit dem Schadenprozess kann also vermieden und in ein positives Serviceerlebnis umgewandelt werden.

„Insgesamt stellt der Einsatz von KI zur Prognose der Kundenzufriedenheit eine klassische Win-Win-Situation dar. Unsere Kund:innen profitieren von bedarfsgerechter und proaktiver Kommunikation, wir von einer stärkeren Kundenbindung“, fasst Dr. Mühlhaus zusammen. „Und eine höhere Kundenzufriedenheit ist schließlich eine gute Investition in den Kundenstamm der Zukunft“, ergänzt Dr. Hofmann.

Während bei der VKB aktuell die ersten Anwendungen im Bereich der Schadenbearbeitung umgesetzt werden, ist der dargestellte Ansatz grundsätzlich auch auf andere Kontaktpunkte erweiterbar. Der Einsatz künstlicher Intelligenz ebnet so den Weg für ein Customer Experience Management der Zukunft. Christian Krams ist überzeugt: „Wir werden diesen Weg weiterverfolgen und unsere Kund:innen können sich zukünftig auf noch bedarfsgenauere Interaktionen mit der Versicherungskammer freuen“.

Zu den Interviewpartnern:

Dr. Jens Hofmann ist Data Scientist und Abteilungsleiter im Marketing bei der Versicherungskammer. Sein Augenmerk liegt insbesondere auf der Integration der Customer Experience in alle Bereiche des Konzerns und auf einer proaktiven Betrachtung der Customer Journeys durch Machine Learning. Immer mit dem Ziel, Kunden von vornherein glücklich zu machen.

Dr. Daniel Mühlhaus verantwortet bei der Versicherungskammer mit dem Kundenbarometer das zentrale Kundenfeedbacksystem des Unternehmens. Er beschäftigt sich zudem mit KI-basierten Prognosemodellen, Textmining und ist ein großer Kundenadvokat: „Viele Initiativen sind schön, doch gut sind nur diejenigen, deren Wirkung auch bis zum Kunden durchschlägt“.

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