Partnerschaft als Zukunftsmodell

“Vertriebserfahrungen und Kundenvertrauen der etablierten Versicherer sind unschlagbar. Wir sind gut in Produktentwicklung und Administration.” - Einblick in ein InsurTech-Unternehmen
Führungskräfte// 09. Juli 2020

“Bringt man in der Chemie die richtigen Elemente zusammen, entsteht etwas Neues und Nützliches daraus. Durch die Kombination von verschiedenen Versicherungsleistungen und Partnern entstehen einzigartige und neue Versicherungsprodukte, die die Bedürfnisse der KundInnen bestmöglich und individuell erfüllen,” beschrieb der Berliner Company Builder FinLeap vor rund drei Jahren sein Engagement im Versicherungsbereich und gründete ELEMENT, ein InsurTech-Unternehmen (→ Glossar) .

Knapp zwei Jahre später absolvierte ELEMENT erfolgreich die Series A, eine wichtige Finanzierungsrunde für Start-ups auf dem Weg zum ernstzunehmenden Marktteilnehmer. 29 Millionen Euro Wachstumskapital flossen in das junge Unternehmen, das sich selbst als Produktentwickler und Partner etablierter Versicherer versteht, darüber hinaus aber auch eine eigene Versicherungslizenz besitzt.

Das klingt ebenso ungewöhnlich wie interessant. Deshalb haben wir genauer hingesehen. Discover Digital sprach mit Tim Kaltofen, Vice President Innovation der ELEMENT Insurance AG, über White-Label-Versicherungsprodukte und Partnerschaften als Zukunftsmodell.

Herr Kaltofen, ELEMENT bezeichnet sich selbst als White-Label-Produktfabrik für Versicherungen. Können Sie mit einigen Sätzen beschreiben, was genau sich hinter dieser Umschreibung verbirgt?

Kaltofen: Zum einen sind wir ein volllizensierter Erstversicherer für die Schaden- und Unfallversicherung. Gleichzeitig sind wir Technologieunternehmen. Zentral bei ELEMENT ist unsere modulare Technologieplattform. Mithilfe dieser liefern wir volldigitale und maßgeschneiderte Versicherungsprodukte an unsere Partner, diese übernehmen dann den Vertrieb. Wir arbeiten grundsätzlich White-Label, wir passen uns also an die Marke unserer Partner an.

Das heißt, Sie bleiben als Versicherer im Hintergrund. Aber ist das nicht verwirrend für die KundInnen, die vielleicht glauben, direkt bei Volkswagen, Vodafone oder einem Ihrer anderen Kunden versichert zu sein?

Kaltofen: Das Zuliefersystem ist keineswegs eine neue Erscheinung. In jedem Auto, das Sie heute kaufen können, stecken zu etwa 75 Prozent Teile, die von einem Zulieferer hergestellt worden sind. Außerdem: ELEMENT ist stets als Risikoträger zu erkennen, der Versicherungsvertrag kommt dementsprechend zwischen ELEMENT und den KundInnen zustande.

Sie bieten nicht nur Lösungen, die mit geringem Aufwand individualisiert werden können, sondern entwickeln auch gemeinsam mit Ihren Partnern passgenau für die jeweilige Anforderung. Wie aufwändig ist so etwas und wie lange dauert es durchschnittlich in etwa bis zur Markteinführung?

Kaltofen: Wir arbeiten komplett modular und in der Cloud, selbst unsere Arbeitsabläufe sind digital gesteuert. So können wir die große Komplexität, die individualisierte Versicherungslösungen mitbringen, einfach beherrschen. Ein fertiges Produkt gelingt uns daher in nur ein paar Wochen – trotz starker Individualisierung.

Ihre Wertschöpfungskette ist fokussiert auf B2B2C, also auf Geschäftspartner, die wiederum an ihre KundInnen weitervermitteln bzw. -verkaufen. Das funktioniert, wenn jeder in dieser Wertschöpfungskette profitiert. Worin aber besteht der Vorteil für Ihre AbnehmerInnen und deren KundInnen?

Kaltofen: Neben der oben genannten Individualisierung bringen volldigitale Produkte auch für KundInnen großen Mehrwert. Das fängt an beim Kauf – die Police kommt direkt per E-Mail und ist je nach Produkt ab sofort gültig. Für Adressänderungen, Schadenmeldung und die Kommunikation ist kein Briefeschreiben mehr nötig. Und auch Nischenprodukte, die auf aktuelle Probleme reagieren, sind möglich – alleine aus finanziellen Gründen können dies Unternehmen, die mehrere Jahre für die Produktentwicklung benötigen, nicht anbieten. So haben wir zusammen mit Volkswagen einen KurzZeitSchutz entwickelt, der es Autofahrern ermöglicht, das eigene Fahrzeug zu verleihen ohne den eigenen Versicherungsschutz zu verlieren – spontan und nur für den benötigten Zeitraum.

Zudem verstehen Sie sich als digitaler Vorreiter: Das heißt, die Kundenschnittstelle ist vollständig digitalisiert und automatisiert? Inwieweit sind die Prozesse im Backoffice, zum Beispiel die Schadenabwicklung, automatisiert?

Kaltofen: Wir bieten eine Vielzahl verschiedener Produkte an, entsprechend sind die Schadenfälle ganz unterschiedlich. Während ein normaler Hausrat Schaden größere Automation erlaubt, ist dies bei einem komplexen Großschaden, z.B. in der privaten Haftpflicht, nicht möglich. Hier sind nach wie vor die entsprechenden Experten gefragt.

Im Bedarfsfall übernehmen Sie die gesamte Prozesskette, von Aktuariat über Schadenbearbeitung bis hin zum Risikomanagement. Wieviele Verträge verwalten Sie im Moment mit wievielen MitarbeiterInnen?

Kaltofen: Das Team von ELEMENT sind derzeit ca. 120 MitarbeiterInnen – und das aus ganz verschiedenen Feldern. Beispielsweise ist davon eine Hälfte in der IT beschäftigt, neben ExpertInnen aus dem Versicherungsbereich haben wir dann noch KollegInnen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen und Ländern. Insgesamt sind knapp 25 Nationen bei ELEMENT vertreten. Da wir uns derzeit auf das Unternehmenswachstum fokussieren, kommunizieren wir die Anzahl der Verträge nicht.

Wer je eine BaFin-Lizenz (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) beantragt hat, weiß wie aufwändig das Procedere ist. Wie war das bei Ihnen? Ihr Geschäftsmodell ist eher ungewöhnlich bzw. Neuland…

Kaltofen: ELEMENT wurde im März 2017 gegründet, als erstes InsurTech in Deutschland haben wir unsere BaFin-Lizenz dann bereits im Oktober 2017 erhalten. Leicht war es nicht, aber allzu lang hat es auch nicht gedauert!

Inwieweit sehen Sie sich in Konkurrenz zu traditionellen Versicherern, die selbst massive Anstrengungen unternehmen, um mit neuen, digitalen Services zu punkten?

Kaltofen: Seit Anbeginn sehen wir uns als Partner der Industrie und nicht als Konkurrenz – wir möchten keine Marktanteile abgraben und keine Produkte unter eigenem Namen vertreiben. Traditionelle Versicherer können durch uns volldigitale, individuelle Produkte anbieten, was wir zum Beispiel mit der SIGNAL IDUNA und dem Produkt Versicherung09 machen (siehe Beitrag → Völlig losgelöst, Anm.d.Red.). Wir sind fest davon überzeugt, dass in der Partnerschaft zwischen etablierter Industrie und InsurTechs die Zukunft unserer Branche liegt.

Abschließende Frage: Wie kommt man auf die Idee, so ein Geschäftsmodell zu entwickeln?

Kaltofen: Dass die Versicherungsindustrie sich digitalisieren muss, ist mittlerweile allbekannt. Anstelle jedoch alles neu machen zu wollen, haben wir uns angesehen, wo es wirklich hapert. Und das ist vorrangig die Produktkreation und Administration – hierauf haben wir uns fokussiert und erstklassige Lösungen gefunden. Die Erfahrung im Vertrieb und das Kundenvertrauen, das etablierte Versicherer und viele andere Unternehmen besitzen, ist hingegen unschlagbar. Entsprechend haben wir ELEMENT als spezialisierten Zulieferer aufgebaut. Unser Erfolg gibt diesem Ansatz recht – derzeit verfügen wir bereits über 20 Partner und eine Vielzahl von Produkten, von Mobilität über verbundene Hausratversicherung und Privathaftpflichtversicherung bis hin zu Unfall und Wetterversicherungen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kaltofen.

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