New Work: Markt der Möglichkeiten

In der VUCA-Welt ist eines sicher: die Veränderung. Wie sich die Arbeitswelt jetzt schon verändert hat, zeigt ein Überblick
Führungskräfte// 11. September 2019

Unternehmen agieren in einer Welt, die sich auch ohne eigenes Zutun immer dynamischer entwickelt, unsicherer und komplexer wird. Auf dem Arbeitsmarkt konnten sich Arbeitgeber lange Zeit passende Bewerber aussuchen. Plötzlich müssen sie um Fachkräfte werben. Und die interessiert nicht nur das Geld, sondern vielmehr, wie zusammengearbeitet wird, wie Freizeit- und Familienbedürfnisse mit dem Job vereinbar sind, und ob die Tätigkeit Sinn stiftet.

Das setzt Unternehmen unter Druck. Wie wandelt sich die Arbeitswelt? Wie arbeiten wir morgen zusammen? Valerie Holsboer, ehemals Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, sagte auf einem New Work-Kongress in Berlin: „Es geht nicht darum, Strukturen und Hierarchien umzustoßen, sondern darum, Biotope zu schaffen, die nicht von der Tradition durchseucht sind.“

 

Statussymbol Büro

Schaut man sich in der Wirtschaft um, finden sich etliche Biotope, in denen neues Arbeiten erprobt wird. Immer mehr Chefs geben beispielsweise ihr Büro auf.
„Änderungsprozesse lassen sich nicht hinter verschlossenen Bürotüren steuern, sie müssen vorgelebt werden“, so Carsten Schermuly, Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Hochschule in Berlin. „Chefs senden ein Signal an ihre Mitarbeiter: Ich reiße Mauern ein und möchte barrierefrei mit euch kommunizieren und zusammenarbeiten.“

Eine konsequente Umsetzung dieses Prinzips inklusive des erforderlichen Kulturwandels im Unternehmen findet sich beispielhaft bei der Swiss Re Europe S.A., Niederlassung Deutschland: 400 Mitarbeiter arbeiten dort auf zwei mehr oder weniger offenen Etagen. (→ Kulturwandel im Büro)

Wer räumlich näher an den Mitarbeitern dran ist, ist stärker in deren Themen und Konflikte involviert. Sozialkompetenz ist unerlässlich. Was bedeutet das in puncto Führung?

 

Demokratische Legitimation

Die Zweiklassengesellschaft aus MitarbeiterInnen und Management gehört aufgelöst, meint Marc Stoffel, Chef des Schweizer IT-Unternehmens Umantis. Stoffel wurde demokratisch in seine Position von den MitarbeiterInnen gewählt. „Mitarbeiter, die gemeinsam ihren Chef wählen, arbeiten besser zusammen, haben klarere Vorstellungen davon, wer wofür zuständig ist und stärken einem Chef, den sie selbst ausgesucht haben, eher den Rücken. Sie fühlen sich für den Erfolg ihres Unternehmens mitverantwortlich.“

Arbeitswissenschaftler, wie Isabell Welpe von der TU München, geben Stoffel Recht: „Demokratische Strukturen in Unternehmen können zum Schlüsselfaktor für Erfolg werden.“

Eine demokratische Wahl hat aber nicht nur Gewinner. Die KandidatInnen, die leer ausgehen oder abgewählt werden, sind die Verlierer und zahlen den Preis: Sie müssen sich wieder in Reih und Glied einordnen und kämpfen erst einmal mit Verlustängsten, schlechter Stimmung oder sogar gekränkten Egos.

 

Nur gut gelaunt zur Arbeit

Beim Berliner Start-up Einhorn bleibt man in diesem Fall am besten zu Hause: „Wer keinen Bock hat, muss auch nicht zur Arbeit kommen. Es ist sogar erwünscht, sich dann frei zu nehmen. Wenn man keine Lust hat, ist man unproduktiv und nervt die anderen im Team. Das ist dann wie ein Virus, der alle infiziert, “ sagt Gründer und Geschäftsführer Philip Siefer. Bei rund 150 Mitarbeitern kommt es rund zwei bis drei Mal im Monat vor, dass jemand keinen Bock hat. Vom Team wird dies toleriert. Denn schließlich weiß jeder: Wie man sich fühlt so arbeitet man auch.

Arbeitgeber müssen sich daher immer wieder bewusst fragen: Was braucht jemand, um einen guten Job zu machen?

Die Aufgabe, Antworten zu finden, delegieren Start-ups mitunter an Feelgood-Manager – noch so ein Jobprofil, das die neue Arbeitswelt hervorgebracht hat: Feelgood Manager sind dafür zuständig, ein positives Arbeits-Umfeld zu kreieren, in dem sich alle wohlfühlen und zufrieden sind und im Umkehrschluss bestmögliche Leistung abliefern können.

 

40 Stunden müssen reichen

Klare Regeln gehören ebenfalls zu einem positiven Arbeitsumfeld. Beim Düsseldorfer IT-Unternehmen Sipgate wird zum Beispiel sehr akribisch auf die Einhaltung einer 40-Stunden-Woche geachtet. Wer öfter drüber liegt, muss sich fragen lassen, was an der Arbeit/den Aufgaben geändert werden muss, damit der Job innerhalb der 40 Stunden geschafft werden kann.

Sipgate ist ein radikal agiles Unternehmen und hat nach eigenen Angaben keine Titel, keine ManagerInnen, keine Abteilungen. Stattdessen: Selbstverantwortung, Feedback, Lernen, Freiheit und Spaß. Den Launchtermin für neue Produkte zum Beispiel bestimmen die Entwickler-Teams selbst – so sind die MitarbeiterInnen gefordert, einen realistischen Zeitplan abzugeben der Überstunden überflüssig macht.

 

‚Agil‘ kennt keine Stechuhr

Agiles Arbeiten bietet viel Potenzial zur Selbstausbeutung, da sind solche Regeln goldwert. Denn wer sich mit seinen Aufgaben und seinem Unternehmen identifiziert, Verantwortung trägt, schaut seltener auf die Stechuhr. Andererseits kann diese Freiheit MitarbeiterInnen auch überfordern. Unternehmen, die agiles Arbeiten gerade einführen, tun also gut daran, begleitende Regeln aufzustellen und entsprechend viel Zeit und Coaching einzuplanen.

Fazit: Vieles ist im Umbruch, viel Neues wird erprobt. Konzepte, die gestern noch funktionierten, greifen heute nicht mehr (→ Herausforderung VUCA). Ebenso wird vermutlich nicht alles von dem, was heute en vogue ist, dauerhaft Bestand haben. Discover Digital wird am Ball bleiben und die Veränderungen weiterhin aufmerksam beobachten.

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