Multifunktional und inspirierend

Die Anforderungen an die MitarbeiterInnen ändern sich, werden vielfältiger. Was bedeutet das für die Arbeitsplatz-, Raumgestaltung? Ein Gespräch über New Work und neue Räume.
Führungskräfte// 22. Juli 2019


			
Neue Räume Neues Arbeiten Kulturwandel Versicherungswirtschaft

Frau Glassner, Frau Gneiting: Steelcase ist ein weltweit agierendes Unternehmen. Ihre Kunden stammen aus allen erdenklichen Branchen. Wie sind vor diesem Hintergrund Ihre Erfahrungen mit hiesigen Versicherungsunternehmen?

Wir arbeiten sehr viel mit Global Playern und beobachten dabei, dass Unternehmen, die durch den angelsächsischen Sprachraum beeinflusst sind, tendenziell schneller auf Veränderungen reagieren. Zum Teil liegt dies sicher daran, dass die Themen New Work und New Office dort eine längere Historie und demnach auch einen anderen Stellenwert haben. Hiesige Unternehmen agieren im Vergleich dazu etwas verhaltener.

Geänderte Anforderungen erkennen.
Wandel mitgestalten.

Die größte Herausforderung im Rahmen der Digitalisierung sehen wir aber in der Bereitschaft der MitarbeiterInnen, sich auf den notwendigen Kulturwandel in den Unternehmen einzulassen, diesen im besten Fall sogar mitzugestalten. Häufig ist mit der Digitalisierung bzw. Automatisierung die Angst verbunden, dass der eigene Job absehbar nicht mehr existiert. Konstruktiver ist es, davon auszugehen, dass sich der eigene Job verändert. Das ergibt ein facettenreiches Bild, in dem ich weiter existiere. Die Frage, die sich dann stellt, lautet: Welches Wissen, welche Skills benötige ich?

Das eine oder andere Unternehmen versucht gerade in Pilotprojekten erste Erfahrungen mit multifunktionalen Räumen zu sammeln. Macht das Sinn?

Das ist sicher nicht verkehrt, sofern man entsprechend offen damit umgeht. Wir beobachten allerdings, dass Konzepte in Pilotprojekten umgesetzt werden, um zu sehen, ob sie funktionieren oder nicht. Unser Ansatz ist ein anderer: Wir beobachten und analysieren zunächst die Vorgänge, Abläufe und versuchen diese mit entsprechender Infrastruktur bestmöglich zu unterstützen.

Beobachten. Analysieren. Behutsam Entwickeln.

Können Sie uns ein Beispiel dafür geben?

Wir haben unlängst für ein Unternehmen mit einem Raum erste Veränderungen angestoßen und für ein neues Denken sensibilisiert. Dazu haben wir uns den Besprechungsraum angesehen bzw. uns gefragt: Wie finden Besprechungen dort statt? Wie sich gezeigt hat, kann eine Besprechung ganz unterschiedliche Modi annehmen: Es wird präsentiert, gelernt, gemeinsam entwickelt…das sind Arbeitsweisen, die mit ganz unterschiedlichen Infrastrukturen effizient unterstützt werden können. Das klassische Setup eines Besprechungsraumes lässt üblicherweise aber nur einen Modus zu. Die hier gesammelten Erfahrungen und die Veränderungsbereitschaft skalieren wir jetzt sukzessive in größere Projekte. Als nächstes schauen wir uns individuelle Arbeitsplätze an. Zielvorstellung ist der Umbau des gesamten Gebäudes.

Bedürfnishierarchie im Büro
Gefragt sind Räume, in denen die Menschen gerne arbeiten und die zugleich ihr körperliches, kognitives und emotionales Wohlbefinden unterstützen. © Steelcase/Forschung

Vorhandene Flächen funktionaler, inspirierender gestalten.

Welche Rolle spielen dabei die Kosten? Die Aufhebung herkömmlicher Büros kann letztlich auch zu einer Einsparung an der Gesamtfläche führen.

Wenn ich nur auf Einsparungen achte, die Arbeit dadurch aber nicht besser wird, macht das wenig Sinn. Agiles Arbeiten, nonterritoriale Arbeitsplätze – das klingt zwar schick. Wir fragen aber: Was kommt dabei heraus? Werden die Projekte schneller, die Kommunikation besser? Wir konzentrieren uns auf Multifunktionalität und machen Räume dadurch effizienter. Das kann möglicherweise dazu führen, dass weniger Fläche benötigt wird. Vielmehr geht es aber darum, auf der vorhandenen Fläche mehr Möglichkeiten zu bieten, die Räume inspirierender zu gestalten.

MitarbeiterInnen von Beginn an aktiv einbinden.

Fragen Sie auch die MitarbeiterInnen nach ihren Befindlichkeiten?

Die MitarbeiterInnen rechtzeitig und richtig in solche Vorhaben einzubinden, ist unserer Meinung nach fundamental. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass neue Konzepte nicht angenommen werden. Wir haben tatsächlich bereits erlebt, dass in Unternehmen genau deswegen wieder zurückgebaut wurde.
Wir bieten entsprechende Module, um die MitarbeiterInnen frühzeitig und richtig einzubinden. Und dabei geht es nicht um die Farbe von Schreibtisch und Stuhl. Wir fragen vielmehr: Wie verändern sich die individuellen Anforderungen und Aufgaben? Wie verändert sich der Tagesablauf? Welchen Einfluss hat der/die Einzelne darauf? Welche Umgebung kann dies bestmöglich unterstützen? Welche Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden? Dadurch können sich die MitarbeiterInnen in dem Projekt wiederfinden und sich mit einer Fläche identifizieren.

Konzepte über Hierarchien hinweg gemeinsam entwickeln.

Und wer entscheidet? Die ursprünglichen Treiber sind die Führungskräfte…

…die mit ersten Ideen im Idealfall sehr schnell auf MitarbeiterInnen zugehen und dann gemeinsam weiterentwickeln. Auch der Betriebsrat sollte sehr schnell involviert werden, denn schließlich geht es um Verbesserungen für alle MitarbeiterInnen durch neue Arbeitswelten, um Austausch und Vielfalt im Sinne des Unternehmenszwecks.

Ist die Akzeptanz moderner Raumkonzepte Ihrer Erfahrung nach eine Generationenfrage?

In einer Studie haben wir zwei generationsspezifische Unterschiede gefunden. Zum einen bei der Frage: Wie schaffe ich Privatsphäre? Jüngere setzten sich einfach einen Kopfhörer auf – was sicherlich auch eine Frage der Sozialisation ist. Einen anderen Unterschied haben wir bei der Nutzung der Lounge-, Cafebereiche festgestellt: Ältere MitarbeiterInnen nutzen dieses Setting eher für informelle Gespräche, Jüngere hingegen zum konzentrierten Arbeiten. Die Generationen unterschieden sich also höchstens in puncto Nutzungsverhalten. Inspirierende Räume, die bei den anstehenden Aufgaben unterstützen, werden von jedem gerne genutzt. Die Art und Weise unterscheidet sich möglicherweise – umso wichtiger ist es, eine Fülle an Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen,die die MitarbeiterInnen gerne nutzen und die zugleich ihr körperliches, kognitives und emotionales Wohlbefinden unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Unternehmen/zur Person: Steelcase ist ein führender Anbieter, moderner Architektur-, Möbel- und Technologieprodukten sowie Dienstleistungen, die entwickelt wurden, damit Mitarbeiter ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Das Münchner Learning & Innovation Center ist eine Mischung aus Showroom, Praxistest, eigenen Büros und Zentrale für den Wirtschaftsraum EMEA.
Lisa Glassner ist dort Regional VP EMEA, Global Client Collaboration und Britta Gneiting Digital Projects Leader.

Weitere Beiträge zum Thema hier im Blog:
Neue Räume für neues Arbeiten – ein Gespräch mit dem Berliner Architekturbüro Office for New Work Spaces
Kulturwandel im Büro – Einblick in den open space der Swiss Re in München

 

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