Lebenslanges Lernen und kontinuierliche Weiterbildung sind nicht erst seit der Digitalisierung der Schlüssel zum beruflichen Erfolg. Eine Lernmethode, die auch immer mehr die Versicherungsbranche erobert, ist Game-based Learning. Doch spielend lernen – geht das überhaupt?
Discover Digital hat darüber mit Dr. Jochen Bohne, Abteilungsleiter Vertriebstraining und -beratung der Provinzial Rheinland Versicherung AG gesprochen.
Herr Dr. Bohne, große Trends im Schulungsbereich sind aktuell „Gamification“ und „Game-based Learning“. Was genau verbirgt sich eigentlich hinter diesen Begriffen?
Bohne: Gamification meint die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. Dabei werden spielerische Techniken und Elemente in Bereichen eingesetzt, die normalerweise nicht mit diesen Methoden in Verbindung gebracht werden. Das kann zum Beispiel ein Rollenspiel sein, welches in einem klassischen Workshop oder Seminar eingebaut wird. In der Regel geht es darum, die Lernenden zu motivieren und durch Auflockerung der Gruppe eine Verbesserung des Arbeitsprozesses zu erreichen.
Game-based Learning hingegen meint das Prinzip „Lernen durch Spielen“ und zielt konkret auf Wissensvermittlung ab: Lerninhalte werden in einen spielerischen Kontext integriert und dann über das Spiel selbst vermittelt. Um es mit wenigen Worten zu sagen: Game-based Learning ist Lernen, ohne zu merken, dass man lernt.
Beiden gemeinsam ist, dass sie durch die Verbindung von Spiel und Realität die Wissensvermittlung, das Lernen von Problemlösungsstrategien und unsere Lernkultur nachhaltig verändern.
Bei Provinzial Rheinland setzen Sie Game-based Learning bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Lernspielen ein. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser Methode?
Bohne: Mit dem Einsatz von Game-based Learning haben wir bisher sehr positive Erfahrungen gemacht: Der menschliche Spieltrieb ist ein guter Motivator, um zum Lernen anzuregen. Wir glauben, dass wir bei unseren „spielenden“ Mitarbeitern wesentlich bessere Lernresultate erzielen, da die Schulungen und Weiterbildungen für sie unterhaltsam und attraktiv sind und sich die Mitarbeiter daher sehr gerne mit den zu vermittelnden Themen auseinandersetzen.
Was sind die großen Vorteile und Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft?
Bohne: Einer der großen Vorteile von Game-based Learning ist, dass über diesen Weg Lerninhalte einer großen Zielgruppe zur Verfügung gestellt und so beispielsweise der gesamte Außendienst eines Versicherers effizient zu einem bestimmten Thema wie z.B. zur Kundenorientierung geschult werden kann. Außerdem ermöglicht es ein aktives und sehr konstruktives Lernen: Das Testen von verschiedenen Handlungsalternativen und die so gesammelten Erkenntnisse im Spiel führen zu einer sehr individuellen und zielgerichteten Lernerfahrung. Ein anderer Vorteil ist, dass Game-based Learning auch für viel Flexibilität beim Lernen steht: Mitarbeiter können selbst entscheiden, wann, wo und wie lange sie spielen und lernen wollen.
Zu den großen Herausforderungen gehört bei dieser Methode naturgemäß das Überwinden technischer Hürden im Unternehmen. Auch ist die Erwartungshaltung an Optik und Usability in der letzten Zeit größer geworden. Es gibt Menschen, die als „Gamer“ im Privaten viel rasantere Spiele gewohnt sind, aber umgekehrt auch nicht wenige mit geringen technischen Vorkenntnissen bezüglich Online-Spielen.
…und in der Praxis? Welche Spiele kommen bei der Provinzial zum Einsatz?
Bohne: Mit unserem Lernspiel „2100“ haben wir ein individuell auf die Provinzial Versicherung zugeschnittenes Lernmodul, bei dem wir den Skill „Kundenservice“ bei unserem Außendienst reflektieren und verbessern möchten. Wir nutzen dazu ein Lernspiel von Game Learn, das sich auf unsere Belange hin konfigurieren lässt.
Simuliert werden verschiedene, typische Anlässe und Praxisfälle – wie sie auch tagtäglich in einem Versicherungsbüro der Provinzial vorkommen können – die der Lernende durchspielt. Das kann ein fiktiver Kundendialog oder auch ein konkretes Fallbeispiel aus unserer Produktwelt sein. In einem geschützten Raum kann der Nutzer nun verschiedene Lösungen ausprobieren, er bekommt ein direktes Feedback auf seine Auswahl und auch Alternativen angeboten. So kann er die von ihm gewählte Antwort und Reaktion nochmals reflektieren und die jeweils beste Lösung für verschiedene reale Situationen und Aufgabenstellungen herausfinden.
Ein relativ neues Lernspiel der Provinzial befasst sich mit dem Thema „Leadership“ und wie man seinen eigenen Führungsstil und seine Führungskompetenz verbessern kann.
Dazu simulieren wir eine Notlandung auf einer einsamen Insel mit der Aufgabe, die Rettung von dieser Insel zu organisieren. Hier steht insbesondere der Erwerb metakognitiver Fertigkeiten im Fokus: Wie gehe ich mit komplexen Situationen um? Sind die von mir gewählten Strategien hilfreich bzw. richtig? Habe ich Ressourcen, Kompetenzen und erforderlichen Aufgaben richtig eingeschätzt, eingesetzt und verteilt? In erster Linie sollen Fähig- und Fertigkeiten wie Kommunikations-, Führungs- und auch Teamkompetenzen über den spielerischen Lernzugang trainiert und verbessert werden.
Welche Einsatzfelder bieten sich für Game-based Learning Ihrer Ansicht nach darüber hinaus an? Wo kann bzw. wird die Reise in Zukunft hingehen?
Bohne: Ich denke, dass Gamification und Game-based Learning im Schulungsbereich der Versicherer noch in den Kinderschuhen stecken. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass dieser Trend weiter Fahrt aufnimmt und sich in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter entwickeln wird. Game-based Learning ist in Zeiten der Digitalisierung ein vielversprechender pädagogischer Ansatz, zeit- und ortsunabhängig und außerdem eigenverantwortlich und selbstgesteuert zu Lernen.
Ein möglicher kann sich Einsatz in vielen Bereichen finden: Von der Arbeitsorganisation über die Kundenorientierung bis hin zur Teamarbeit und zum Vertrieb.
Zur Person:
Dr. Jochen Bohne ist Abteilungsleiter Vertriebstraining und -beratung der Provinzial Rheinland Versicherung AG in Düsseldorf. Bereits seit sieben Jahren beschäftigt er sich mit Themen wie moderne Lernwege und Nachhaltigkeit in der Weiterbildung.