Wie hoch ist der digitale Stress in Deutschland, wodurch wird er beeinflusst und wer ist besonders gefährdet? Diesen Fragen ist das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec) nachgegangen. Über 5.000 Erwerbstätige wurden seit November 2018 befragt, mehr als 300 davon stammten aus der Finanz- und Versicherungsbranche.
Das Ergebnis: Insgesamt zwölf Belastungsfaktoren haben die Forscher identifiziert. Dazu gehören beispielsweise die Omnipräsenz, das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und einer kürzeren Reaktionszeit durch das Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben.
Die Folgen: Erschöpfung, Gereiztheit sowie psychische Beeinträchtigungen bis hin zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. Unzufriedenheit mit der Arbeitsstelle und eine schlechtere Leistung sind ebenso mögliche Folgen.
Jeder dritte Befragte ist mindestens einem der Belastungsfaktoren besonders intensiv ausgesetzt, fast jeder Fünfte fühlt sich sehr stark digital gestresst. Als stressig werden auch Unterbrechungen und Ablenkung durch digitale Medien empfunden. Außerdem fühlen sich viele Menschen mittlerweile als „gläserne Person“. Sie sehen in der beruflichen Nutzung digitaler Technologien und Medien eine Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre.
„Das bleibt nicht ohne Folgen auch für den Arbeitgeber“, warnt Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth): „Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten. Sie denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.“
„Wirksame Gegenmaßnahmen, um digitalen Stress entgegenzuwirken, sind organisationale und soziale Faktoren“, so Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management, Mitglied der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik. “Dazu gehört beispielsweise ein erweiterter Handlungsspielraum hinsichtlich arbeitsrelevanter Entscheidungen sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten.“
Faktoren wie Komplexität der Technologien, Jobunsicherheit oder mangelnde Erfolgserlebnisse werden übrigens nur im geringen Maße als Belastungsfaktoren benannt bzw. als digitaler Stress wahrgenommen.
Im Beitrag → Technostress vermeiden haben wir einen Psychologen zu den Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Gesundheit befragt.