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Vorträge, Konferenzen, Bildung - viele Angebote wurden ad hoc auf Online-Betrieb umgestellt. Wie steht es dabei um Qualität, Didaktik, Akzeptanz, soziales Lernen? Ein Expertengespräch

Abstimmungen im Team, Kollaborationen – vieles von dem, was bislang analog und in Präsenz stattfand, geht plötzlich online. Selbst Weiter-/ Bildungsangebote werden jetzt en masse online angeboten. Dabei stellt sich die Frage: Woher kommt auf einmal das Know-how dafür? Lassen sich alle Angebote ohne Weiteres tatsächlich online abbilden?
Zertifizierungen für eTrainerInnen gibt es schon eine Weile, ohne dass diese in nennenswertem Umfang absolviert wurden. Haben die TrainerInnen jetzt einen Crashkurs absolviert?
Wie können NutzerInnen sicher sein, dass sie sich auf fundierte Angebote einlassen?
Hinzu kommt: Das Homeoffice, in dem viele arbeiten und Bildungsangebote nutzen, ist häufig ein Provisorium. Was ist ein geeigneter Lernort? Worauf sollten TeilnehmerInnen achten?

Discover Digital hat nachgefragt bei einem, der es wissen muss: Christian Helmus ist Leiter Digital Learning/eLearning bei der Debeka und Mitglied im Expertenteam Lernsysteme und Bildungstechnologien (LuB) des BWV Bildungsverbands.

Herr Helmus, im Bereich der Weiter-/ Bildung gibt es eine Fülle an Begriffen, die in der aktuellen Situation zum Teil – und vermutlich fälschlicherweise – synonym verwendet werden. Auch wir haben in der Einleitung oben einiges in einen Topf geworfen. Vielleicht verständigen wir uns erst einmal über die Begrifflichkeiten und die Unterschiede zwischen eLearning, eTraining und Webinar?

Helmus: eLearning ist für uns ein Überbegriff für alle Lernformen, die digitale Formate beinhalten. eTraining stellt hingegen ein spezifisches digitales Angebot dar, zum Beispiel Lernprogramm-WBTs (WBT siehe → Glossar), Video-Trainings, Erklärfilme, Webinare. Diese wurden für das Erreichen eines Lern- bzw. Trainingsziels konzipiert. Ein Webinar oder auch Online-Seminar ist ein gesteuertes synchrones Format. eTrainer begleiten die Teilnehmer in einer Online-Umgebung zum Lernziel. Hierbei werden verschiedene Methoden zur Wissensvermittlung, Teilnehmeraktivierung oder Kollaboration genutzt.

TrainerInnen bauchen ergänzende Kompetenzen

Bei der plötzlichen Fülle an Online-Angeboten stellt sich die Frage: Woher kommt auf einmal die Kompetenz der AnbieterInnen bzw. TrainerInnen? Und warum haben diese nicht schon eher solche Angebote entwickelt?

Helmus: Didaktische Grundprinzipien, Erfahrung in der Wissensvermittlung, Methodenkompetenz, Kreativität und Flexibilität sind für unsere TrainerInnen gewohntes Terrain. Verschiedene Trainingsbereiche haben bereits Erfahrung in der Erstellung von Online-Angeboten. Der Fokus lag bisher jedoch auf der Qualifizierung und Begleitung der MitarbeiterInnen in Präsenz.

Für die Konzeption und Erstellung digitaler Formate bedarf es neuer ergänzender Kompetenzen. Die Debeka Akademie ist zentral für eLearning zuständig – Konzeption, Produktion, Beschaffung, Bereitstellung – und unterstützt bzw. qualifiziert gezielt mit internen und externen Angeboten.

In einem früheren Experteninterview haben wir erfahren, dass nicht alle Themen für eTraining geeignet sind, zum Beispiel Soft Skills Trainings (siehe Beitrag → Neues lernen – neues Lernen). Trotzdem finden sich zurzeit reichlich Angebote auch zu diesem Thema, vermutlich aus einem wirtschaftlichen Zwang heraus. Was halten Sie davon?

Helmus: Es kommt auf die Konzeption an. Es gibt viele hervorragende Soft Skill eTrainings, die – wie der Artikel zu Recht aufzeigt – ohne eine Transfer-Komponente nicht wirksam sind. Und genau hier setzen beispielsweise TrainerInnen mit ihrer Expertise und Erfahrung an: Sie unterstützen die Lerner bei dem Transfer in die berufliche Praxis und die Anpassung an die persönlichen Gegebenheiten.

Blended Learning: Auf die Mischung kommt es an

In der Zeit vor Corona waren Bildungsangebote sehr häufig ganztägige Veranstaltungen. Muss ich jetzt dafür den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen? Und wie verhält es sich dabei mit der Aufmerksamkeitsspanne?

Helmus: Die Bildungsangebote müssen unter diesen Voraussetzungen als Blended-Learning-Konzepte umgesetzt werden. Hierbei spielt die Mischung aus Präsenz, das ist in diesem Fall die Präsenz in einem Webinar, Selbststudium und anderen Formaten eine wesentliche Rolle.
Die Präsenzzeit kann nicht analog der bisherigen Veranstaltungen angesetzt werden. Das didaktische Konzept kann Einheiten von ein bis max. zwei Stunden vorsehen, die von getakteten Selbstlern-, Reflexions- oder Austauschphasen flankiert werden.

Jeder, der schon einmal an einem herkömmlichen Bildungsangebot teilgenommen hat, ob Seminar oder Konferenz bzw. Kongress, weiß, das vieles vom Miteinander, dem gegenseitigen Austausch, dem Networking abhängt. Gibt es dafür ein Online-Adäquat oder fällt die soziale Komponente jetzt komplett hinten runter?

Helmus: Die soziale Komponente fällt nur zum Teil weg, kann sich aber in einer anderen Ausprägung verschieben. Bereits vor der Corona-Situation wurde viel Networking und Austausch über soziale Netze und digitale Kanäle betrieben. Im beruflichen Umfeld wurde dieser Teil der zwischenmenschlichen Nähe in großen Teilen durch Präsenz im Austausch bei Seminaren, Kongressen und Tagungen wahrgenommen. Digitale Medien hatten hier eher den rein fachlichen Bezug. Beispiele aus dem privaten Umfeld sind hierfür virtuelle Treffen, Weinproben, Konzerte etc. Ein digitales get-together im Anschluss an eine Videokonferenz war eher selten.

Wir sind uns der Wichtigkeit und Wirksamkeit der sozialen Komponente sehr bewusst. Daher werden wir die digitalen Möglichkeiten bzw. Tools sukzessive erweitern, um den Austausch sowie das Lernen von- und miteinander im digitalen Raum zu fördern.

Online werden Reaktionen gezielt eingefordert

Ich selbst habe in den vergangenen Wochen etliche eLearning-Angebote genutzt, in denen es hauptsächlich um Wissensvermittlung ging. Das war zumeist reiner Frontalunterricht, bei dem ich im besten Fall über eine Chatfunktion eine Frage stellen oder an einem Voting teilnehmen konnte. Didaktisch habe ich das als deutlichen Rückschritt gegenüber Präsenzveranstaltungen empfunden. Was sind Ihrer Meinung nach die Besonderheiten beim eLearning?

Helmus: Wenn Sie Webinare meinen mit Ihrem Beispiel: Der Erfolg der methodischen Umsetzung eines eLearning-Angebotes hängt von der Teilnehmer-Aktivierung und -Partizipation ab. Bei der Konzeption sollte die gleiche Grundregel wie bei der Präsenzschulung gelten. Ein reiner Frontalunterricht zur Wissensvermittlung kann in einer groben Unverhältnismäßigkeit von passiver Teilnahme zu aktiver Mitarbeit stehen.

Ausschlaggebend ist, inwieweit das Konzept die Einbindung der Teilnehmer zulässt. Dies ist abhängig von der Anzahl der Teilnehmer, dem behandelten Thema, den technischen Voraussetzungen, inklusive Webcam-Nutzung, und natürlich von den Trainer-Skills.

Die Besonderheit bei Webinaren ist, dass auf die nonverbale Kommunikation verzichtet wird. Dies lässt in der Interaktion wenig Interpretation und Steuerung der Gruppe durch den Trainer zu. Reaktionen finden oftmals zeitverzögert oder asynchron statt und werden daher eingefordert – durch eine zu lösende Aufgabe im begleitenden WBT oder durch direkte Abfrage im Webinar u.a.m.

Habe ich als potenzieller Teilnehmer im Voraus eine Chance, die Qualität des Vermittlungsangebotes zu beurteilen? Anders gefragt: Kann ich davon ausgehen, das Angebote, die zum Beispiel für mein IDD-Weiterbildungskonto bei gutberaten zählen, einem gewissen Qualitätsniveau entsprechen?

Helmus: Die Angebote, die dem Standard von gut beraten entsprechen, sind qualitätsgesichert. Das bedeutet, dass die Weiterbildungen der akkreditierten Bildungsdienstleister dem Kompetenzerwerb und -erhalt der vertrieblich Tätigen in der Versicherungswirtschaft dienen.
Inhaltlich sind diese Bildungsangebote auf der Grundlage der Anrechnungsregeln von gut beraten ausgerichtet. Diese geben fachliche und personelle Kompetenzen vor, die der angebotenen Maßnahme entsprechen müssen.
Die Bildungsdienstleister unterliegen einem turnusmäßigen Audit, in dem die Einhaltung dieser Vorgaben geprüft wird. Nur bei einem positiven Abschluss dieser Prüfung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer erfolgt die Aufrechterhaltung der Akkreditierung.

Die Nachfrage nach Weiter-/ Bildung ist unverändert hoch

Mangels Alternativen ist es müßig, nach der Akzeptanz von Online-Angeboten zu fragen. Wie ist aber grundsätzlich zurzeit die Nachfrage nach Weiter-/ Bildungsangeboten? Viele MitarbeiterInnen machen sich Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz, um die Sicherheit für sich und ihre Familien. Haben diese Sorgen möglicherweise auch ein konstruktives Element, nämlich ein erhöhtes Weiterbildungsinteresse? Oder zeigt sich ein eher gegenteiliger Effekt, ein temporäres Desinteresse an Weiterbildung?

Helmus: Die Nachfrage ist unverändert hoch, dort wo zeitliche Freiräume entstehen ist sie gestiegen. Angebote, die unsere MitarbeiterInnen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unterstützen, erleben einen besonders hohen Zulauf. Beispiele sind positive Psychologie, Resilienz, virtuelle Kommunikation, Führen auf Distanz, Homeoffice etc.

 

Viele MitarbeiterInnen der Versicherungswirtschaft arbeiten aus dem Homeoffice heraus. Dieses ist aber häufig nur ein Provisorium und vermutlich kein idealer Lernort. Worauf sollte ich achten, wenn ich daheim an eTraining- oder eLearning-Maßnahmen teilnehme?

Helmus: Für unseren angestellten Außendienst ist dies seit vielen Jahren der regelmäßige Lernort. Für MitarbeiterInnen, für die Homeoffice eine Neuerung darstellt, empfehlen wir, sich Zeit zu nehmen und eine Umgebung zu schaffen, in der man sich konzentrieren kann, sich wohl fühlt und möglichst ungestört ist. Sofern es das Lernangebot ermöglicht, können Lerngruppen in einem virtuellen Raum oder einem Chat die Motivation und den Spaß steigern. Lernen ist anstrengend, daher sind Pausen wichtig. Bei längeren Sessions hilft Bewegung den Lern-Akku wieder aufzuladen.

Vielen Dank, Herr Helmus!

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